Mit Büchern entdecke ich immer wieder neue Welten.....
Zora del Buono verliert mit acht Monaten ihren italienischen Vater durch einen tragischen Autounfall. Sie wächst zusammen mit ihrer starken Mutter auf, sprechen aber kaum über den Tod des Vaters. Mit rund 60 Jahren macht sie sich auf die Suche nach dem Unfallverursacher im Kanton Glarus. Wie ist der damals junge Mann mit dieser Schuld umgegangen? Wie hat er nachher weitergelebt? Die Autorin findet nach und nach Puzzlestücke aus dem Leben dieses Mannes, aber auch aus dem Leben ihres Vaters und ihrer Mutter. Sie versöhnt sich nach und nach mit ihrer eigenen Geschichte. Das Buch erzählt keine lineare Geschichte. Es geht im Buch noch um mehr, wie um die Vaterlosigkeit, die fortschreitende Demenz ihrer Mutter, um Einwanderer aus Italien in die Schweiz in den 60iger/70iger Jahren oder zum Teil um Nebenschauplätze zur Schweizer Geschichte. Dieser manchmal fragmentarische Stil gefällt mir, löst in mir viele Gedanken aus und halt im Alltag nach.
3059 Kilometer zu Fuss mit dem Einkaufswagen vom Norden in den Süden Australiens. Diese Durchquerung Australiens von Darwin nach Adelaide entlang des Stuart Highways unternahm der Schweizer Christian Zimmermann im Frühjahr 2016 in 105 Tagen. Da er neben Camping- und Fotoausrüstung teilweise mehr als 20 Liter Wasser und Proviant für mehrere Tage mitführen musste, fiel die Wahl auf einen «shopping trolley», Christian Zimmermann, bald bekannt als der Trolley Man, hat auf seiner Reise Tagebuch geführt. Er beschreibt die unterschiedlichen Landschaften und Wetterkapriolen. Immer wieder lässt er auch Mrs. Molly, der Name des Trolleys zu Wort kommen. Das Tagebuch beschreibt auf unterhaltsame Weise die Höhen und Tiefen, vor allem aber die vielen Begegnungen auf dem langen Weg. Unzählige Male wird er auf seine besondere Mission angesprochen und oft auch beschenkt. Eine Orange oder ein Apfel werden unterwegs zu wertvollen Geschenken. Eindrucksvolle Fotoimpressionen ergänzen verschiedene Tagebucheinträge des vor einigen Jahren erschienenen Buches.
Suzanne Heywood verbringt in ihre Kindheit zwischen 1975 und 1985 auf hoher See. Mit sieben Jahren beginnt mit ihren Eltern und ihrem Bruder Jon die Weltumsegelung auf den Spuren des Entdeckers Cook auf der «Wavewalker». Chronologisch erfährt man auf 400 Seiten wie aus der Traumreise mit Start in England zwischenzeitlich immer stärker ein Alptraum wird. Heftige Stürme, Arbeit an Board, ständig wechselnde Besatzungen, Beziehungsabbrüche und Einsamkeit prägen den Alltag. Sie wünscht sich nichts sehnlicher als ein normales Leben mit festem Wohnsitz und regelmässigem Schulbesuch. Trotz aller Schwierigkeiten – Suzanne ist ein intelligentes Mädchen und wächst zu einer starken Frau heran. Mit Hilfe eines Fernstudiums bereitet sie sich selbstständig auf engstem Raum auf die Abschlussprüfungen vor und findet nach zehn Jahren einen Studienplatz in Oxford. Die Geschichte dieser resilienten Frau packt und ist gut erzählt. Zwischenzeitlich kam Wut auf die Eltern auf, die ihrer Tochter immer wieder vorwerfen, sie sei egoistisch und denke nicht an ihre Familie, wenn sie ihre Bedürfnisse äussert. Dabei stehen die Bedürfnisse der Eltern immer im Mittelpunkt.
Monika Mann, eine Tochter von Thomas und Katia Mann, war im Gegensatz zu ihren Geschwistern Golo, Klaus, Erika und Elisabeth kaum bekannt. Sie hatte zeitlebens über einen schweren Stand in der berühmten Familie. Vor allem mit ihrer Mutter Katia kam es immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen. Besonders tragisch war, dass Monikas frisch angetrauter Ehemann 1940 auf dem Weg von England ins kanadische Exil ertrank, als ein deutsches U-Boot auf den Ozeandampfer mit Torpedos beschoss. Gerettet, drehte sich ihr Leben in Amerika jahrelang im Kreis auf der Suche nach einer Aufgabe, nach Wärme. Sie versuchte sich z.B. als Musikerin, hatte aber extreme Auftrittsängste. 1952 ging sie nach Italien, wo sie mit ihrem Mann schon einmal glücklich gewesen war. Auf Capri fand sie innere Ruhe und ein Zuhause in einem Haus direkt am Meer. Trotz der grossen familiären Fussstapfen begann sie zu schreiben und lebte jahrzehntelang in einer offenen Beziehung mit dem Caprioti Antonio Spadaro. Das Paar war sehr unterschiedlich, Antonio wurde von der Familie Mann nie anerkannt, aber beide fanden ihr Glück zusammen. Nach Antonios Tod 1985 hielt sie es auf Capri nicht mehr aus und kehrte nach Küsnacht in die Schweiz zurück, 1992 starb sie fern von ihrer Familie in Deutschland. Der Autorin Kerstin Holzer gelang es in diesem Buch, Monika Mann, eine interessante, unkonventionelle Persönlichkeit, näherzubringen, die immer im Schatten ihrer Familie stand. Es ist mehr als nur eine Biographie. Das Buch hat mich sehr berührt und gepackt, weil die Schilderungen der Gedanken- und Gefühlswelt, die auf realen Texten und Briefen beruhen, mit Beschreibungen der Insel Capri und der Familie Mann verbunden sind.
Der Inhalt des neu aufgelegten Buches «Aus guter Familie» schrieb Gabriele Reuter 1895 von mehr als hundert Jahren. Es braucht zu Beginn etwas Durchhaltevormögen, um sich auf den ungewohnten Schreibstil anzufreunden. Mit der Konfirmation der 16-jährigen Agathe, der Tochter eines Regierungsrates Heidling, startet das Buch. Agathe wächst behütet in einem grossbürgerlichen Haushalt auf. Der Alltag ist geprägt von gesellschaftlichen konservativen wie kirchlichen Normen, an die Agathe immer wieder aneckt. Der Vater verwehrt ihr Bildung in Form von Büchern und die Mutter ist auf ihre Moral bedacht. Der Leser oder die Leserin begleitet sie nun auf ihrem leidvollen Weg bis in die mittleren 20er Jahre. Agathe möchte die Erwartungen einer braven Tochter erfüllen, aber gleichzeitig träumt sie von Freiheit. Immer wieder kommen Szenen vor, die aufwühlen und nachdenklich stimmen, über die Rollen der Frauen zu dieser Zeit und darüber, dass sich Agathe nicht wehrt und immer stärker in Selbstzweifel, Traurigkeit und Langeweile versinkt. Der Roman mag zwar alt sein, aber thematisiert doch moderne Fragen wie Machtdynamiken, Geschlechterrollen und gesellschaftliche Zuschreibungen. Zudem ist er ein naturalistisches Zeitdokument aus wilhelminischer Zeit. Ein wirklich lesenswertes Buch!
Der Roman spielt in den dreissiger Jahren im faschistischen Monza in Italien. Francesca wächst als Einzelkind in der Oberschicht auf, geprägt von den Regeln des Faschismus, des Patriarchats und der Kirche. Dann freundet sie sich mit Maddalena an, die mit zwei Jungs am Fluss herumhängt, kein Blatt vor den Mund nimmt und in einer Ecke von Monzas wohnt, in der Francesca vorher noch nie war. Fasziniert von deren Lebenswelt entflieht sie immer wieder aus ihrer eigenen. Beide Maddalena wie Francesca kämpfen für ihre Selbstbestimmung - unabhängig von der sozialen Schicht - und nehme dafür grosse Opfer auf sich. Die Geschichte ist auch in der deutschen Übersetzung von Anja Nattefort sehr lebendig geblieben und liest sich gut. Der Einstieg ist drastisch und der Schluss etwas knapp. Sehr gut gefallen hat mir der Mittelteil, weil hier gut nachvollziehbar beschrieben wird, wie die Freundschaftsbande immer stärker werden und sie immer selbstbestimmter ihren Weg gehen, wobei Francesca vor allem dem Weg von Maddalena folgt. Schade ist, dass der historische Hintergrund im Laufe der Geschichte in den Hintergrund tritt und etwas plakativ wirkt.
Was ist interstellare Chemie? Wie entsteht intelligentes Verhalten? Welche Lehren werden aus den Pandemie-Erfahrungen für die Medizin von morgen gezogen? Patrick Cramer, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, besuchte vor seinem Amtsantritt in acht Monaten alle 84 Institute. In 17 thematisch geordneten Kapiteln erzählt er – fast wie in einem Gespräch – von der aktuellen Forschung in den ganz unterschiedlichen MPI-Forschungsbereichen. Viele Themen werden angerissen, leider fehlt es etwas die Tiefe. Bei fehlendem Vorwissen können einzelne Kapitel auch recht anspruchsvoll sein. Es ist ein Buch für interessierte Laien, die ein breites Allgemeinwissen mitbringen und sich ein Bild von der aktuellen wissenschaftlichen Forschung machen wollen. Interessierte Laien, die sich nicht mit einer einfachen Internetrecherche zufrieden geben, sondern etwas tiefer in die Materie eintauchen und sich informieren wollen. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist das Buch zu oberflächlich.
Dieses Buch ist nicht mehr neu - erschienen 2017. Entdeckt in einem Bücherschrank an einem Bahnhof hat es mich emotional berührt. Der Roman, verfasst von einem Kollektiv von 18 jüngeren Westschweizer Autorinnen und Autoren in einer Nacht, scheint so real, obwohl er fiktiv ist. Die Autorin Esther Montandon verliert 1960 durch einen Unfall ihre dreijährige Tochter Louise, die sie sich seit Jahren sehnlichst gewünscht hatte. Wie geht das Leben weiter nach einem so schweren Verlust? In kurzen Kapiteln, sprachlich sehr schlicht gehalten, erfährt man von ihrer Trauerphase – ihrer Einsamkeit und ihrer Schwierigkeit weiterzuleben. Aber auch das Umfeld kann mit der unfassbaren Situation nur schwer umgehen. Ein schmales, aber besonderes Buch.
Das Buch von Claire Léost spielt im Landesinneren der Bretagne – der Bretagne der Kalvarienberge und Kapellen mit moosbewachsenen Steinen, Farnen und Laubteppichen unter den Bäumen. Das Cover täuscht: Es ist keine sentimentale, leichte Geschichte. Hier kreuzen sich die Schicksale dreier Frauen aus drei Generationen, die Geschichten, Literatur und Sprache lieben. Die Handlung entwickelt sich anders als erwartet und die Handlungen einzelner Figuren stimmten mich sehr nachdenklich und haben mich zum Nachdenken angeregt. Am Anfang braucht man etwas Geduld, um sich durch die verschiedenen Charaktere und Zeitsprünge in die Geschichte einzufinden, aber nach der Mitte konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. Der Schreibstil ist direkt. Manche Bilder wirken in der Übersetzung etwas fremd. Wer sagt schon auf Deutsch, dass die Kirche voll war, wie ein Korb Nüsse. Auf Französisch wäre der Roman noch authentischer. Wer sich also nicht scheut, liest das Buch besser in der Originalsprache.
Zufällig entdecken Audrey und Alain in den Ferien ihr Traumhaus mit Scheune in der Normandie mit Blick auf Mont Saint-Michel. Mit dem Jüngsten, dem 15-jährigen Nico, verlassen sie nach Jahren Bruxelles und wagen den Neuanfang. Zu ihrem 33. Hochzeittag trifft sich die ganze Familie erstmals im neuen Heim. Ihre Kinder kämpfen sich durchs Leben. Isa wird von ihrem Mann verlassen, Cloé hat ein Burnout, Crol geht nach Canada und Nico flüchtet mit Freunden nach Südfrankreich. Aber am 35. Hochzeittag haben sich für alle die Wogen geglättet und sie haben ihren Weg gefunden. Das Buch ist kein literarisches Meisterwerk, aber gute, leichte Unterhaltung. Die Charaktere sind etwas klischeehaft und die Wendungen am Schluss etwas zu positiv.
Die Ich-Erzählerin erzählt 39 Geschichten – zuerst als Kolumnen veröffentlicht – mitten aus ihrem Leben. Sie handeln von alltäglichen Themen wie Liebeskummer über Platz-, Konflikt- und Flugangst, die wir alle kennen. Oder wer hat sich nicht schon geärgert, wenn die Internetverbindung nicht funktioniert und man von einem Techniker zum nächsten durchgestellt wird, zwischendurch fünf Minuten lang das gleiche Gedudel hören muss. Mariana Leky erzählt diese Geschichten aus ihrem Mietshaus und ihrer Verwandtschaft so, dass sie einem in den Bann ziehen, mit Absurditäten, über die ich schmunzeln oder sogar laut lachen musste. Viele Figuren wie Frau Wiese, Herr Poll mit seinem Hund Lori oder ihr Onkel Ulrich werden einem beim Lesen schnell vertraut. Das Buch hat mir definitiv die Grippetage zu Hause verkürzt, obwohl ich eigentlich keine Kurzgeschichten mag.
Amélie, eine Innenarchitektin, verheiratet und Mutter eines kleinen Jungens hat gerade eine grosse gesundheitliche Krise überstanden. Diese Erfahrung hat sie aber innerlich sehr aufgewühlt und sie spürt, dass sie ihr Leben verändern muss, um sich wieder zu finden. Sie trennt sich vor ihrem Mann, den sie seit dem Gymnasium kennt, und betreut ihren kleinen Sohn jede zweite Woche. Die Veränderungen und das Alleinsein sind schwieriger als gedacht. Der Roman beschreibt das Auf und Ab des Lebens und der Gefühle im ersten Jahr nach der Trennung. Sie hat an ihrer Seite altbekannte und neue Freunde und Freundinnen, die sie moralisch unterstützen. Die aktuelle Situation kreuzt mit Rückblenden zurück zu Gewalterfahrungen bei der Geburt ihres Sohnes und bei gynäkologischen Untersuchungen. Amelie muss wieder lernen sich und ihrem Körper zu vertrauen. Das Buch liest sich gut, hat mich berührt und mich nachdenklich gestimmt. Es spielt zudem in der Bretagne, die ich persönlich sehr mag. Es ist ein Roman, aber die gynäkologischen Gewalterfahrungen beruhen auf persönlichen Erfahrungen der Autorin, die dieses gesellschaftliche Tabu thematisieren wollte. Laure Manels Bücher sind nur auf Französisch erhältlich, aber auch für Nichtmuttersprachler geeignet. Ich kann dem Inhalt folgen, auch wenn ich nicht alle Wörter kenne.
Jonas und Galel, beide Bergführer, treffen sich einmal jährlich im Sommer auf der Baitahütte, die Paul im Sommer führt. Die drei unterschiedlichen Männer verbindet eine tiefe Freundschaft, die Liebe zu den Bergen, das Archaische wie das Schöne dieser Landschaften, die Ruhe und die Weite. Sie leben für die paar Sommermonate. Das Leben im Tal zählt nicht. Paul und Jonas machen sich grosse Sorgen um Galel, der durch einen Unfall sein Lachen verliert. Das Buch besticht durch die Schlichtheit der Beschreibungen der Freundschaft, der erfundenen Bergwelt, der Wanderungen, der Wiederholungen in den Handlungen. Der Stil ist einfach, beschreibend, aber gerade daher wohl so berührend. Ein Muss für Menschen, die gerne wandern und lesen.
Die junge Schweizerin Clara Marti aus Etziken fährt im Oktober 1913 mit ihrer Freundin Rosa über den Atlantik, um ein Jahr als Hilfskraft bei einem Ehepaar in Philadelphia zu arbeiten. Aber alles kommt ganz anders: Kurz vor Ende ihres Aufenthalts bricht in Europa der 1. Weltkrieg aus. Es ist unmöglich für Clara zurückzufahren, denn die Atlantiküberfahrten sind eingestellt. Der Autor, der mit einer Nichte von Clara Marti verheiratet ist, erzählt Claras Lebensgeschichte detailliert. In den ersten Kapiteln wird die stürmische Überfahrt in die unbekannte, neue Welt beschrieben. Im 1. Jahr fühlte sich Clara aufgehoben, obwohl sie das Heimweh ab und zu mächtig plagte. Sie lernte von Rosa kochen und haushalten und machte mir ihr an freien Tagen Ausflüge in der Umgebung. Anschliessend weht ein anderer Wind: Noch keine 20 Jahre alt, ist sie mehrmals aus unterschiedlichen Gründen auf Jobsuche. Während einer Ferienwoche lernt sie Jean Baptiste kennen, heiratet 1919 und gründet mit ihm eine Familie mit vier Kindern. Die Heirat war kein leichter Entscheid, denn nun würde sie in Amerika verbleiben und eine Rückkehr in die Schweiz rückte in die Ferne. Erst 1948 reist Clara für einige Monate zurück in die Schweiz. Das Geld für das Ticket hatte sie sich über Jahre hinweg angespart. Das Buch packt, weil es auf historischen Fakten und einer realen Geschichte basiert. Das 1. Jahr empfand ich fast zu ein bisschen zu glatt und zu nett – die schwierigen Momente kamen dann aber später.
Der erste und letzte Satz des Buches lautet: «Meine Mutter starb diesen Sommer». Dazwischen erfährt die Leserin, der Leser die Geschichte der 14-jährigen Billie, die mit Ihrer Mutter Marika irgendwo in einer deutschen Hochhaussiedlung lebt. Die beiden kommen finanziell knapp über die Runden, aber doch gelingt es Marika immer wieder Billie zu überraschen. Schwierig wird es, als die Grossmutter aus Ungarn für längere Zeit dazustösst und kurz darauf Billies Mutter stirbt. Mit wenigen Indizien begibt sich Billie auf die Suche nach ihrem Vater und fährt selber in einem alten Auto in den Norden Deutschlands. Auf einer Insel findet den etwas kauzigen Ludger. Nach und nach erfährt man Antworten auf gewisse Fragen. Ein Roman über eine Jugendliche – deren Weg zum Erwachsenenwerden nicht gradlinig verläuft. Billie kommt mit vielen Themen wie Armut, Aufwachsen mit einem Elternteil, Tod dieses geliebten Elternteils und der Suche ihres leiblichen Vaters in Berührung. Gut geschrieben und flüssig lesbar, fand ich die Autofahrt extrem unrealistisch und hätte mir gewisse Puzzleteile zur Geschichte schon etwas früher gewünscht.
Johanna Fuchs, aufgewachsen als Fabrikantentochter in Trier, erbt 1920 Haus und Hof ihrer Tante Lisbeth in der Eifel. Wer ist die unbekannte Lisbeth? Johanna bekommt das Erbe nur, wenn sie mindestens ein halbes Jahr die Tiere auf dem Land versorgt. Johanna, ein Greenhorn im Haus wie auf dem Hof, fühlt sich aber auf dem Land bald ganz wohl, beginnt auch zu töpfern wie ihre Tante. Im Dörfchen Altenburg ist sie unter starker sozialer Kontrolle, findet aber ein paar starke Freudinnen, die sich gegenseitig unterstützen. Doch die Geschichte stoppt auch in der Eifel nicht. Inflation, Bücherverbrennung, Rassengesetze gegenüber Juden, Wehrpflicht – die Bewältigung des Alltags wird immer schwieriger – dazu kommen private Freuden, Liebesgeschichten und Sorgen im Haus der Füchsin. Der Roman liest sich gut, ist spannend, nicht wirklich anspruchsvoll, stimmte mich aber aufgrund des historischen Hintergrunds während der Zwischenkriegszeit zwischendurch auch nachdenklich. In diesem Buch steckt viel Recherchearbeit der Autorin Brigitte Riebe, die Historikerin ist.
Anne Berest erinnerte sich knapp zwanzig Jahre nach ihrer Ankunft an eine unsignierte Postkarte, die ihre Familie emotional sehr aufgewühlt hatte. Die Postkarte mit der Pariser Oper trug auf der Rückseite nur die Namen ihrer jüdischen Vorfahren mütterlicherseits – ihrer Urgrosseltern, ihrer Tante und ihrem Onkel, die 1942 im Konzentrationslager Auschwitz umkamen. Zusammen mit ihrer Mutter Leila, Tochter von Myriam, einzige Überlebende der Familie mütterlicherseits, macht sie sich auf die Suche nach dem Absender. Auf dieser Spurensuche entdecken sie viele Bruchstücke aus der Familiengeschichte, die die Familie über Russland, Lettland, Palästina nach Paris führte. Die Bruchstücke wühlen sie emotional auf, weil sie realisieren, wie ihre Vergangenheit und die traumatische Erfahrung der Deportation auch ihr Leben und Handeln unbewusst geprägt hat und weiterhin beeinflusst. Es ist ein bewegendes Buch, dass mich zwischendurch sehr nachdenklich gestimmt hat. Aber gleichzeitig wollte ich erfahren, wer die Postkarte verfasst hatte. Neu ist das Buch, dass 2021 auf Französisch erschien, auch auf Deutsch (Titel: Die Postkarte) erhältlich. Wirklich lesenswert!
Die kleine handliche Sammlung beinhaltet vier Themenblöcke mit 50 Erfolgsmodellen, die helfen strategische Entscheidungen zu treffen. Im 1. Teil werden Modelle beschrieben, wie man sich selbst verbessern kann, gefolgt vom 2. Teil, wie man sich besser verstehen kann. Im 3. Teil folgen Anregungen, wie andere in Entscheidungssituationen besser verstanden werden und im Schlussteil, wie sie zu besseren Resultaten angeleitet werden können. Die meisten Modelle sind auf zwei Seiten ausgeführt – auf der einen Seite eine knappe, gut lesbare Erklärung, plus klare Grafik auf der anderen Seite. Das Büchlein ist grafisch sehr ansprechend, einzig die Textstellen in «Mint» sind etwas hell geraten.
Valentine kehrt mit ihrem Sohn nach einer Scheidung zurück in ihr Heimatdorf Vallenot – ein kleines Nest in den Bergen Frankreichs, wo noch ihre Eltern leben. Sie hat Glück und bekommt in der Dorfschule gleich eine Stellvertretung. Auch sonst lebt sie sich nach und nach ein. Noch etwas zögerlich ist sie in Bezug auf neue Männerbekanntschaften, denn die Enttäuschung durch ihren Ex-Mann steckt noch in ihren Knochen. In ihrer Familie gibt zudem es verschiedenste Geheimnisse, die nach und nach «aufgeklärt» werden. Valentine, wie auch die anderen Charaktere des Romans sind sympathisch, humorvoll, manche gar ein bisschen verrückt. Es ist ein Weihnachtsroman, aber warum nicht mal eine romantische Geschichte mit einem Ambiente aus Schneegestöber, Lebkuchen und Weihnachtsdekoration im Juli lesen. Der Roman ist einfach und angenehm zu lesen, auch wenn Französisch nicht die Muttersprache ist.
Was haben Paris Hilton, Tic Tac Toe und Chien-Shiung Wu gemeinsam? Es sind 3 Frauen von 28 beschriebenen Frauenbiografien im Buch, die aufgrund ihrer Handlungen in der Öffentlichkeit vorverurteilt, skandalisiert, gedemütigt, verleumdet oder entmündigt wurden. Die Autorinnen beschreiben, wie stark die Bewertungen dieser Personen vom Geschlecht, aber auch von anderen Merkmalen wie von der Hautfarbe, abhängig sind. Die Auswahl der Biografien ist breit – einige Frauen sind schon verstorben wie Romy Schneider oder Marie-Antoinette, andere tauchen immer wieder in den Medien auf wie Megan Markle oder Camilla Parker Bowles. Es zeigt sich, die Muster ähneln sich über die Zeit hinweg, Veränderungen brauchen unheimlich viel Zeit und daher braucht es solche Bücher, die das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, erzählen. Die Biografien sind süffig zu lesen und sind alle mit sehr ansprechenden grafischen Illustrationen von Ula Sveikauskaite versehen. Aufgrund der Länge jeder Biografie zwischen fünf bis sieben Seiten geben sie aber nur einen Einblick. Ich hätte mir manchmal noch etwas mehr Tiefe gewünscht.