Kathrin1014
Hallo zusammen und Verzeihung bitte für die späte Rückmeldung - ich hing etwas hinterher… Unglaublich interessant zu lesen, wie ihr anderen über das Buch denkt!
Ich habe eindeutig meine Probleme mit der Geschichte und den Figuren. Das Format als E-Mail-Roman finde ich interessant, wenn auch zuweilen etwas mühsam zu lesen. Gerne würde ich der Geschichte nur in E-Mails folgen - die Whatsapp-Einschübe empfinde ich als unnötig und wie von anderen hier auch schon erwähnt mit völlig anderer Tonalität. Zu Anfang des Buches war ich noch fasziniert war von der detaillierten Beschreibung gerade von Theresa’s Leben, was für viele Durchschnittspersonen eher fern ist, und bestimmt auch notwendig ist, um den Durchschnittslesenden in diese Welt gut einzuführen. Ich hätte mir da von der Figur Stefan viele Rückfragen gewünscht, aber inzwischen bin ich regelrecht entsetzt darüber, wie wenig die beiden aufeinander eingehen. Ist es normal für andere Menschen, mehrseitige E-Mails einer anderen Person zu lesen und mit einer ebenso detaillierten Selbstauskunft zu antworten? Wo bleiben Mitgefühl und Verständnisfragen für die andere Person? Für mich ist die Kirsche obenauf, dass insbesondere Stefan (in meiner Wahrnehmung, ich habe nicht nachgezählt) dann auch noch Whatsapp-Terror nach Senden einer langen Mail betreibt und wissen will, wieso er keine Antwort erhält. Ich empfinde das als eher eine unnatürliche Darstellung von Kommunikation - ich würde meine Freunde eher nicht per Whatsapp fragen, wieso sie noch nicht auf meine Mail geantwortet haben. Ich kann mir vorstellen, dass die Autoren hier extreme Seiten von Kommunikation skizzieren wollten, aber in meinen Augen hätte das Buch auch (oder besser) funktioniert, wenn sich auf ein Medium fokussiert worden wäre.
Was mich direkt von Anfang gestört hat: Wieso die Liebesgeschichte dazu? Ist es nicht möglich, dass zwei Menschen sich einfach aus freundschaftlichem Interesse miteinander und mit ihren unterschiedlichen Standpunkten auseinandersetzen? (Und das dann auch tun…)
Die “Freundschaft”, die die beiden führen, irritiert mich sehr. Was ist die Basis dieser Freundschaft? Als Theresa bis ca. Seite 67 herum deutlich zu signalisieren gibt, dass es ihr nicht gut geht, geht Stefan absolut nicht darauf ein, nein, er schreibt sogar: “Auch wenn es dich nicht interessiert, erzähle ich dir mal, was hier so los ist.” Ein schöner Freund ist das! Interessant ist, dass Theresa sich in der nächsten Mail für die Ablenkung bedankt. Excusez-moi, falls ich hier die Ironie nicht bemerkte, aber das wäre eindeutig nicht meine Reaktion gewesen und wirkt auf mich eher wie eine künstliche Reaktion, um die Geschichte der beiden aufrecht erhalten zu können. Später verhält sich Theresa ähnlich, als sie die Freude Stefans über die neue Bote-Ausgabe nicht spiegelt, sondern ihn hart (und unfair) kritisiert. Damit kann ich wirklich nicht sympathisieren. Das hat etwas von so einem befreundeten Pärchen, bei dem man von außen direkt sieht, dass das auf eine Vollkatastrophe zusteuern muss.
Apropos Pärchen: Die Beziehung von Theresa und ihrem Basti wirkt auf mich ziemlich unrealistisch. Die Landwirtin mit fast abgeschlossenem aber abgebrochenem Germanistik-Studium, die mit einem KFZ-Mechaniker zusammen ist, der ihr auch noch DIE Tipps für ihren Betrieb geben kann? Da habe ich so meine Zweifel an der Haltbarkeit des Ganzen. Da das nicht im Mittelpunkt steht, kann ich das aber auch hinnehmen. Abstrus fand ich allerdings die Mail von Theresa an Stefan, in der sie ihm von dem Ehestreit mit Basti erzählte. Ich finde nicht, dass die Freundschaft von Theresa und Stefan bislang die Güte aufgewiesen hat, dass ich eine solche Mail passend fände. Aber schön, dass Stefan zumindest mal in Sachen “Liebesleiden” für Theresa den Werkzeugkoffer mit Empathie und netten Worten auspackt. An anderer Stelle wäre mir das viel lieber, aber gut. In den Worten von Theresa: “Zweifelhaftes Mitgefühl” (hier aus dem Kontext gerissen, aber die Beschreibung passt).
Insgesamt wirkt die ganze Geschichte für mich wie ein Ping-Pong von Haltungen und Meinungen, ohne das aufeinander eingegangen wird. Sicher bis zu einem gewissen Grad intendiert, aber hätten es da nicht auch 200 Seiten weniger und eine Geschichte ohne Liebesdrama getan?
Für die ganzen politischen Themen, die angerissen werden, musste ich über folgenden Satz sehr laut lachen: “Schriftsteller*innen haben in 99 Prozent der Fälle keinerlei Expertise, verkaufen sich aber als Orakel und schwadronieren über Gott und die Welt” (S. 112). Ist das ein Fall von Selbstironie?
Puuuh, ganz schön viel Kritik von mir heute. Das Buch scheint mir absolut keins zu sein, was man für Wohlfühl-Lektüre lesen sollte. Es regt an. Es regt auf. Die Sprache und die Darstellung der Sprache provozieren zuweilen mal, aber da das vermutlich sehr intendiert ist, scheint für mich das Ziel damit auch wirklich erreicht und ich kann es hinnehmen. Ich finde die Wortgewandtheit beider Figuren beeindruckend (wenn auch bei Theresa etwas unglaubwürdig, um ehrlich zu sein). Die Pointiertheit der Angriffe der beiden machen meinen eigenen Zyniker sehr glücklich und ab und an muss ich auch wirklich über ein paar Sätze sehr lachen (“Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.”).
Ich bin gespannt, was in Teil 2 und 3 noch kommt. Meine Gedanken seit ca. Seite 20: Das wird mal ein tolles Buch für viele Unterrichtseinheiten im Deutschunterricht - aber weniger Seiten hätten es vermutlich auch getan (ohne den Rest der Geschichte zu kennen).
Und damit bin ich wieder up to date und dann bis Freitag auch nicht mehr hinterherhinkend! 🙂