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estrellina

  • Beitritt 2. Jan 2021
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  • 1806 Punkte
  • Rothenbühlers Buch ist eines, das ich Freund:innen sehr gerne empfehle. Vielleicht jedoch nicht allen, sondern vordergründig denen, die Dialekt lesen können und allein schon an kreativer phonetischer Rechtschreibung von englischen Wörtern einer absolut aktuellen Sprache der 2020er Jahre ihren Spass haben.

    Es hat Witz und Rhythmus, so dass man unbedingt wissen möchte, wie sich dieses ganze System um den neu gegründeten Kulturverein «Polifon Pervers», das auf purer Hochstapelei beruht, weiterentwickelt und vor allem, wie es endet. Immer wieder setzen die Protagonisten noch eins oben drauf – sie machen es sich nicht gemütlich, sondern sind angenehm verrückt. Die Spannung wird durch überraschende Wendungen gekonnt gesteigert. Die Mischung aus Kunst bzw. konkret die satirische Beschreibung von sogenannten «Performances», wie sie heute gang und gäbe sind, gepaart mit Geldbeschaffungsinnovationen als Künstler:in, Student:in oder sonst nicht ganz «angepasster» Person im 9-to-5-Job ist originell und trägt die Erzählung. Die Klischees von Alkohol, Drogen und Prokrastination im studentischen und künstlerischen Milieu werden bedient und geben dem Ganzen Struktur im Sinne von “man weiss, woran man ist”.

    Die Erzählerfigur ist fast die eigentliche Hauptprotagonistin. Sie ist von Beginn an die Verbündete der Lesenden, kritisiert die verschiedenen Figuren, und bringt eine gute Portion Gesellschaftssatire in den Text. Was ist Kunst, und durch welche halb- bis illegalen Mittel kann man Nicht-Kunst zu Geld machen, wenn man sie als Kunst verkauft? Sie spricht das aus, was viele sonst nur denken würden.

    Die Figuren bewegen sich irgendwo zwischen realistisch, halbglaubwürdig und absurd, was das Abenteuerliche und Provozierende des Buches ausmacht. Man fragt sich immer wieder, ob sich das nicht wirklich so abspielen könnte mit den Fördergeldern und deren Nutzung durch Personen mit den Merkmalen: jung, dynamisch und eben… voller (kleinkrimineller) Energie. Auf jeden Fall unterhaltsam und spannend, das Buch passt gut für eine Zugreise oder als etwas andere Ferienlektüre. Ich war beim Lesen stets neugierig auf die folgenden Seiten.

  • Auch ich habe einige Male gelacht beim Lesen! Es ist mein zweites Buch aus der edition spoken script, aber das erste, das eine absolut aktuelle Sprache nutzt. Bei den ersten Anglizismen musste ich auch 2-3 Mal probieren. Dies aber eher, weil ich es nicht erwartet und eher nach Luzerner Spezialitäten gesucht habe, vor denen ich Respekt hatte… inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und es stört meinen Lesefluss kaum. Ausser eben, dass ich jedes Mal lächeln muss 😉

    Inhaltlich finde ich die Story bisher originell, klar: Es geht ins Absurde, wie es auch schon @vitabu beschrieben hat. Wie sie ganz konkret für die ersten Aufführungen an so viel Geld gekommen sind, wird ja nur etwas zusammenfassend erläutert. Ganz so realistisch ist es schon nicht, dass sie von Beginn an überall positive Rückmeldungen erhalten und mehrere 4-stellige Geldbeträge überwiesen bekommen haben. Die Klischees von Alkohol, Drogen und Prokrastination im studentischen Milieu werden ordentlich bedient - das hat auch @Gaso schon erwähnt - und das gibt dem Ganzen meiner Ansicht nach Struktur im Sinne von “man weiss, woran man ist”.

    Vom Stil her finde ich die Erzählerfigur top. Das ist für mich fast die eigentliche Hauptprotagonistin… Sie ist von Beginn an die Verbündete von uns Lesenden, sie kritisiert die verschiedenen Figuren, und bringt eine gute Portion Gesellschaftssatire in den Text. Sie spricht das aus, was viele sonst nur denken würden. Wie gefällt euch diese spezielle Erzählform?

  • Der Roman ist mit Sicherheit kein “klassischer” Roman, sondern überrascht mit unerwartetem Aufbau, eigenwilligem Nutzen von Satzzeichen und originellem Sujet.
    Dadurch, dass das Geschichtenerzählen der einen Figur zu anderen Figuren führt, wird der Charakter der einzelnen Figuren erst nach und nach klarer. Zu Beginn sind jeweils noch viele Möglichkeiten offen, als Leserin häuften sich die Varianten, was dieser oder jener Abschnitt zu bedeuten haben könnte. Ein Buch also, das man gut ein zweites Mal lesen kann 🙂 Persönlich habe ich insbesondere den Teil in China gemocht, der durch die Beschreibungen des Daseins von Ling sehr greifbar wurde. Es kamen schnell Bilder auf. Die Reflexion zur künstlichen Intelligenz, insbesondere ob denn programmierte Maschinen auch aus ihrem Programm heraustreten, aber auch was für Erwartungen zwischen beiden aufkommen können nehme ich auch nach der Lektüre mit.

  • Liebe Julia, ich habe mich schon ein paar Mal gefragt, wo denn die Bewertung geschrieben werden soll, könntest du uns das gerade hier verraten? Bin sicher nicht die Einzige, die noch nicht gecheckt hat wie/wo… Vielen Dank!

    • JuliaK hat auf diesen Beitrag geantwortet.
    • Auch für mich klingt dieses Buch sehr spannend - die Autorin kenne ich noch nicht und es würde mich sehr freuen, an der Leserunde teilzunehmen 🙂

    • Anina02 Habe nochmals zurückgeblättert, auf Seite 70 steht: “Ling […] warte auf Weiteres, während das andere Wesen in der Raummitte wie verschwistert dasitzt […]”! (das andere Wesen ist Harmony). Das war mir beim ersten Lesen nicht aufgefallen…

      • Hallo zusammen, ich habe mich auch durch die ersten Kapitel durchgelesen. Auch mir fiel (fällt es immer noch) schwer, ohne die klassischen Satzzeichen zurecht zu kommen - es fehlt einfach etwas, was sonst das Lesen erleichtert… Ling finde ich eine anhängliche Figur, und wie Anderen unter euch auch ist es für mich sehr klar, dass sie Autistin ist und deshalb so gut zurecht kommt in ihrer Firma und der Punktegesellschaft - anders als weitere Mitarbeiterinnen. Was es mir ihrem Lieblingsfilm auf sich hat, erschliesst sich mir noch nicht ganz. Habt ihr hierzu Ideen? Iris - SIRI: Danke für den Hinweis, wäre ich ohne euch nicht daraufgekommen 😉 Ein weiterer Punkt, über den ich grüble, ist die “Halbschwesterproblematik” - wieso halb? Bis bald