Nun dürfen wir über den letzten Teil des Buches schreiben, der zunächst sehr brutal wird.
Ich war doch sehr erstaunt, dass es 1961 bereits so etwas wie einen “Shitstorm” gab, kaum hatte Elizabeth zugegeben, dass sie nicht an Gott glaube. Es ist hier schon schlimm - aber was unsere heutigen digitalen Möglichkeiten betrifft, die meiner Meinung das Schlechteste im Menschen wecken - es war real greifbar. Heute kann man in den Social Media nichts greifen!! und doch ist es da.
Und hier kommt Halbsiebens grosser Auftritt, der allein ins Studio läuft und dort die Damenhandtasche mit dem Dynamit entdeckt. Garmus erwähnt das Buch “Die unglaubliche Reise” von Sheila Burnford - ich habe das damals nach Erscheinen regelrecht verschlungen. Dieses heute schon als Klassiker des “Wild Writing” bekannte Buch liess in weiten bevölkeerungskreisen die Erkenntnis dämmern, dass Tiere, insbesondere Hunde und Katzen, mehr “drauf haben” als was die Instinkttheorie ihnen zugestand.
Was dann den Lügenbericht über Elizabeth in “Life” betrifft, so bin ich erschüttert. Ich habe jahrelang “Life” selbst gelesen - wie kann es möglich sein, dass ein skandalgeifernder Chefredakteur so etwas fabriziert, was mit dem Artikel seines Reporter Franklin Roth nichts mehr gemein hat, welchen dieser aufgrund seines Interviews mit Elizabeth verfasst hatte. Der Satz “Die Zeitschrift war innerhalb von vierundzwanzig Stunde ausverkauft” zeichnet in seiner Schlichtheit die ganze Situation - die fast blutrünstigeGier der Zeitungsleser nach Dreck, Sex und Skandal. Damals schon! Ein Phänoment, das blitzschnell auch in europäischen Boulevardblättern bedient wurde. Hole ich historisch weiter aus - im Mittelalter verfolgten die Menschen gebannt die öffentlichen Hinrichtungen, während der Französischen Revolution war die Guillotine die Anziehung für das Volk. Die Gier nach Schande, Skandal und Blut scheint im Menschen wohl tief verwurzelt zu sein.
Dass dies Elizabeth in ihren Grundfesten bis ins Knochenmark erschüttert, ist nachvollziehbar. In ihrer Ernsthaftigkeit, ihrer Gradlinigkeit, ihrer Wissenschaftlichkeit wirkt sie hier naiv. Naiv in dem Sinne, dass sie das Ausmass menschlicher Abgründe nie so erkannt hat. Meyers Vergwaltigung, Donattis Demütigungen - das hat sie personenbezogen gesehen. Jetzt steht sie einer anonymen Masse von Menschen gegenüber. Nachdem sie Franklin Roth gegenüber so offengewesen war, der anscheinend ihr Vertrauen missbraucht und sie brutal verleumdet hat.
Es zeigt sich hier wieder ganz deutlich, dass Worte die schärfste Waffe überhaupt sein können. Die Wunden hinterlassen schlimme Narben, die gerne wieder aufbrechen.
Ich bekam regelrecht Angst um Elizabeth! Und erst um Mad! Hier kommt ihr junges Alter zum Ausdruck, als sie den “Life”-Artikel in der Bibliothek gelesen hat. Abgrundtiefe Fassungslosigkeit.
Dass Elizabeth in dieser Situation im Fernshstudio vor die Kamera tritt, hat mich tief beeindruckt. Sie ringt zwar mit sich, aber am Schluss blitzt etwas von der alten Eizabeth durch, als sie sagt:
“Wenn wir Nahrung herstellen, erzeugen wir nicht bloss etwas Gutes zu essen - wir erzeugen etwas, das unsere Zellen mit Energie versorgt, etwas, das Leben erhält. Das unterscheidet sich sehr von Dingen, die andere herstellen. Zum Beispiel” - sie verharrte kurz, blickte dann mit zusammengekniffenen Augen direkt in die Kamera - “Zeitschriften.”