Cali

  • Beitritt 30. Apr 2021
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  • 9720 Punkte
  • Obwohl Romane dieser Epoche normalerweise nicht zu meiner bevorzugten Lektüre gehören, lockte mich der Klappentext mit der Aussicht auf eine tragisch-schöne Geschichte. Der Roman entfaltet sich aus der Perspektive der jungen Honora, die inmitten der verheerenden Hungersnot ein Leben voller Entbehrungen führt. Mit Sing, wilder Vogel, sing gelingt es Jacqueline O’Mahony, das Leben im Irland des Jahres 1849 lebendig nachzuzeichnen und es entsteht ein eindrucksvolles Porträt der damaligen Verhältnisse.

    Der erste Teil des Buches, der Honoras Leben im verarmten Irland schildert, beeindruckt durch seine Authentizität. Die Autorin zeigt eindrücklich die Härten und moralischen Konflikte, die in Zeiten extremer Not entstehen, und eröffnet einen schonungslosen Blick auf menschliche Abgründe und die komplexe Natur des Überlebens. Diese Atmosphäre zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk und lädt zur Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen von Menschlichkeit und Ethik ein.

    Im zweiten Teil des Romans begleiten wir Honora auf ihrer Reise nach Amerika, wo ein Gefühl der Entfremdung und Heimatlosigkeit die zentrale Thematik prägt. O’Mahony fängt die emotionale Zerrissenheit vieler Migranten dieser Zeit eindrucksvoll ein und zeigt die Herausforderungen auf, in einer fremden Kultur Fuß zu fassen, ohne die eigene Vergangenheit abstreifen zu können.

    Im letzten Drittel jedoch verliert der Roman für mich an Glaubwürdigkeit: Die Handlung wird zunehmend vorhersehbar, und die Figur des Joseph, eines indigenen Mannes, der als Retter auftritt, wirkt klischeehaft. Die Handlung nimmt schließlich eine fast überstürzte Wendung – mit einem Mord, einer Art Partnertausch und einem abrupten Ende. Zwar harmoniert das offene Ende mit dem ungewissen Lebensweg der Protagonistin, dennoch empfand ich diesen Teil als etwas konstruiert.

    Trotz dieser Kritikpunkte ist Sing, wilder Vogel, sing eine lohnenswerte Lektüre, die tiefgründige Fragen über Identität, Migration sowie die Folgen von Armut und Ausgrenzung aufwirft. Honoras Geschichte entfaltet ein authentisches Bild von der Suche nach Heimat und der Kraft des Überlebens. Es ist eine Erzählung, die nicht nur historisch interessiert, sondern auch emotional berührt und zum Nachdenken über Menschlichkeit und das Streben nach Zugehörigkeit anregt.

  • Anna_Apfelbaum

    Hallo zusammen

    Und hier meine Rezension:

    Obwohl Romane dieser Epoche normalerweise nicht zu meiner bevorzugten Lektüre gehören, lockte mich der Klappentext mit der Aussicht auf eine tragisch-schöne Geschichte. Der Roman entfaltet sich aus der Perspektive der jungen Honora, die inmitten der verheerenden Hungersnot ein Leben voller Entbehrungen führt. Mit Sing, wilder Vogel, sing gelingt es Jacqueline O’Mahony, das Leben im Irland des Jahres 1849 lebendig nachzuzeichnen und es entsteht ein eindrucksvolles Porträt der damaligen Verhältnisse.

    Der erste Teil des Buches, der Honoras Leben im verarmten Irland schildert, beeindruckt durch seine Authentizität. Die Autorin zeigt eindrücklich die Härten und moralischen Konflikte, die in Zeiten extremer Not entstehen, und eröffnet einen schonungslosen Blick auf menschliche Abgründe und die komplexe Natur des Überlebens. Diese Atmosphäre zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk und lädt zur Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen von Menschlichkeit und Ethik ein.

    Im zweiten Teil des Romans begleiten wir Honora auf ihrer Reise nach Amerika, wo ein Gefühl der Entfremdung und Heimatlosigkeit die zentrale Thematik prägt. O’Mahony fängt die emotionale Zerrissenheit vieler Migranten dieser Zeit eindrucksvoll ein und zeigt die Herausforderungen auf, in einer fremden Kultur Fuß zu fassen, ohne die eigene Vergangenheit abstreifen zu können.

    Im letzten Drittel jedoch verliert der Roman für mich an Glaubwürdigkeit: Die Handlung wird zunehmend vorhersehbar, und die Figur des Joseph, eines indigenen Mannes, der als Retter auftritt, wirkt klischeehaft. Die Handlung nimmt schließlich eine fast überstürzte Wendung – mit einem Mord, einer Art Partnertausch und einem abrupten Ende. Zwar harmoniert das offene Ende mit dem ungewissen Lebensweg der Protagonistin, dennoch empfand ich diesen Teil als etwas konstruiert.

    Trotz dieser Kritikpunkte ist Sing, wilder Vogel, sing eine lohnenswerte Lektüre, die tiefgründige Fragen über Identität, Migration sowie die Folgen von Armut und Ausgrenzung aufwirft. Honoras Geschichte entfaltet ein authentisches Bild von der Suche nach Heimat und der Kraft des Überlebens. Es ist eine Erzählung, die nicht nur historisch interessiert, sondern auch emotional berührt und zum Nachdenken über Menschlichkeit und das Streben nach Zugehörigkeit anregt.

    Danke für die Leserunde:-)

  • Anna_Apfelbaum

    Auch den zweiten Teil bis Seite 254 fand ich spannend zu lesen. Ich hatte immer wieder das Bedürfnis weiterzulesen und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Dennoch hat mich der erste Teil noch ein wenig mehr fasziniert. Besonders erschütternd fand ich, dass die beiden Frauen in die Fänge der Prostitution geraten sind. Marys Verrat an Honora empfand ich nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden haben, als noch schockierender – vor allem, weil Honora die Flucht stets für beide plante, nicht nur für sich selbst.

    Auf den ersten Blick mag Marys Entscheidung, ihre gemeinsame Flucht zu verraten, als klarer Bruch des Vertrauens erscheinen – eine Handlung, die egoistisch und untreu gegenüber Honora wirkt, insbesondere da angedeutet wird, dass Mary starke Gefühle für Honora hegt, die über eine normale Freundschaft hinausgehen könnten. Mary befindet sich in einer tiefen Abhängigkeit von Ignatius, sowohl emotional als auch physisch. Als Frau, die gezwungen wurde, in einem System von Missbrauch und Kontrolle zu überleben, ist ihre Wahrnehmung von Sicherheit und Schutz stark verzerrt. Ihre Schwangerschaft könnte zusätzlich dazu führen, dass sie sich hilflos und noch stärker von Ignatius abhängig fühlt. Sie sieht in ihm möglicherweise den einzigen Ausweg, um sowohl ihr eigenes als auch das Überleben ihres Kindes zu sichern. Letztlich zeigt der Verrat, wie tief die Machtstrukturen, die durch Missbrauch und Kontrolle entstehen, das Handeln und die Moral einer Person formen können.

    Von der Hungersnot in Irland, über die Arbeit als Hausmädchen in Amerika, bis hin zur Prostitution – welches Leben wird sie wohl nach der Flucht mit Prosper erwarten? Auch Honora wählt eine Heirat- nicht aus Liebe, sondern als Fluchtmöglichkeit aus der Prostitution.

    Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

  • Anna_Apfelbaum

    Der Schreibstil gefällt mir – er ist klar, abwechslungsreich und verständlich, manchmal sogar poetisch (z.B. die stille Himmelswölbung schwarz wie das Auge eines Vogels). Die Spannung war von Anfang an spürbar, mit ständigen neuen Wendungen und Schicksalsschlägen. Die Szenen sind lebendig und eindrücklich beschrieben, ich konnte mir alles gut vorstellen. Es ist erschütternd, unter welch extremen Bedingungen die Menschen damals lebten, ums überlebten kämpften, barfuss und in Lumpen unterwegs waren, selbst in der Kälte. Die Darstellung ihres Überlebenskampfes aufgrund der Hungersnot und gar das Gebären eines toten Kindes unter solchen Umständen, zeigt auch eindrucksvoll die Belastbarkeit des menschlichen Körpers. Die Ausgrenzung von Honora ist deutlich spürbar, doch es berührt, dass es auch Menschen gab, die ihr Freundlichkeit entgegenbrachten, wie der Lehrer oder Alice. Auch während des Marsches begegnet ihr Menschlichkeit, als Nell ihr bei der Geburt hilft und nicht einmal Brot dafür annimmt - trotz Hunger.

  • Anna_Apfelbaum

    Danke, auch mein Buch ist am Montag angekommen :-).

    Vor einigen Jahren las ich das Buch Ibicaba – Das Paradies in den Köpfen von Eveline Hasler. Es behandelt das Hungerjahr 1855 und eine Gruppe von Menschen, die daraufhin nach Brasilien auswandern. Ich bin gespannt, welche Parallelen und Unterschiede sich zu unserem Roman zeigen werden. Zudem habe ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nie ein Buch gelesen, das an der irischen Westküste spielt, und hoffe auf einen realistischen Einblick in das Leben dort. Besonders interessiert mich, wie Honora ihre Aussenseiterrolle in Stärke verwandelt und welche Bedeutung die Themen Heimat, Verlust und Neuanfang auf ihrer Reise nach Amerika haben werden.

    Nach dem Lesen des Klappentextes Frage ich mich, warum die Protagonistin “Honora“ (Ehrenvolle, Ehre, Ansehen) heisst? Ich stelle mir vor, dass sie als Aussenseiterin gerade das Gegenteil erfuhr.

  • “ICH, ELEANOR OLIPHANT“ - ein erfrischend anderes Buch, welches mich immer wieder zum Schmunzeln und Lachen brachte:-)