Megan/Morgan
Dieses Kapitel hat Gefühle in mir ausgelöst. Ich war etwas irritiert, dass Evaristo die Figur als Frau einführt und weibliche Pronomen für sie benutzt - wo Morgan doch im Grunde genommen die ganze Zeit über schon nonbinär ist. Und ich frage mich, warum trans mit einem * geschrieben ist. Trans ist ein Adjektiv wie heterosexuell, lesbisch … Warum ein Sternchen? Um darauf aufmerksam zu machen, dass Geschlecht ein Konstrukt ist? Aber dann müsste Mann, Frau, hetero, schwul etc. geschrieben werden, das ist nicht konsequent. Bibi ist mir als Figur nicht besonders sympathisch. Bibi ist eine trans Frau, hat aber offensichtlich lange in der Rolle eines cis Mannes gelebt - und die entsprechende Sozialisierung ist deutlich spürbar, was Morgan später als “mansplaining” erkennt. (S. 366). Bibi gibt sich als Gender-Expertin, aber einige ihrer Behauptungen stimmen nicht. So ist der Begriff “transsexuell” ein pathologischer und sollte nicht gebraucht werden. Korrekt ist trans oder transgender, wobei auch nicht stimmt, dass nur jene Personen trans sind, die eine Geschlechtsangleichung gemacht haben (S.359). Trans bedeutet, dass eine Person sich nicht mit dem Geschlecht wohl fühlt, dass ihr bei der Geburt zugewiesen wurde. So gehören non-binäre Menschen auch zum Schirmbegriff trans. Aber es muss nicht immer eine Dysphorie vorhanden sein und so ist eine partielle oder komplette Geschlechtsangleichung nicht Voraussetzung, um trans zu sein. Bibi sagt das aber vermutlich, weil sie transbinär ist und sich mehr oder weniger eindeutig als Frau fühlt.
Es gefällt mir in diesem Kapitel sehr, dass die Autorin Morgan dann mit den korrekten Pronomen (sier) beschreibt (ab S. 370). Witzig, dass jetzt Yazz als Figur wieder auftaucht, und meine Vermutung bestätigt sich. Yazz ist zwar offen für solche Themen, ist reflektiert und interessiert, aber ihr ist das Ernst der Sache noch nicht bewusst. Sich als trans in der Welt zu bewegen, bedeutet, sich Gefahren auszusetzen (Schikane, Diskriminierung, Gewalt, ja gar Mord). Niemand sucht sich das aus, schon gar nicht aus einer Mode oder einem Trend heraus, was ja vielen leider immer noch viel zu oft vorgeworfen wird. Nonbinäre Figuren in Romanen sind immer noch sehr, sehr selten. Umso mehr freue ich mich über Morgan.
Ich schreibe selbst literarisch und mir gelingt es zum Beispiel, Kurzgeschichten zu verfassen, in welchen die Figuren nonbinär sind, ohne dass der Text holprig wirkt. Ich kann nicht verstehen, wenn andere Autor:innen mit genderinklusiver Sprache offensichtlich Probleme haben. Klar, es braucht etwas mehr Kreativität, aber das darf man von Menschen, die literarisch schreiben, auch erwarten. Wir brauchen unbedingt mehr queere Figuren in der Literatur.