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Buecherzwerg

  • 31. Dez 2024
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  • Wer sich mit den Bücher von Stefanie Stahl beschäftigt, umd nach dem Lesen zwar theoretisch alles verstanden hat, aber keine Ahnung von der Praxis hat, dem ist dieses Buch nur zu empfehlen. Denn genau darum geht es in diesem Buch.

    Ehrlich gesagt, musste ich mich durch dieses Buch zwingen und wahrscheinlich hätte ich es auch nicht zu Ende gelesen, wenn ich es nicht im Rahmen einer Leserunde hätte lesen müssen.

    Mir fehlte alles, was für mich ein Buch ausmacht. Vor allem passte für mich der Klappentext nicht zum Buchinhalt. Allerdings könnte es auch sein, dass ich da etwas falsch verstanden habe. Aber gefühlt ging es weniger um die Geschichte zwischen Magnus und Muna, sondern mehr um Muna. Die Geschichte mit Magnus war eher die Randgeschichte und ehrlich gesagt hätte ich auch nicht mehr von der Beziehung wissen wollen.

    Was mir auch fehlte, waren Gefühle. Ich hatte teilweise den Eindruck, einfach nur eine Abhandlung zu lesen. Einen etwas ausgeschmückten Lebenslauf. Mir fehlte das Erzählerische, ein Spannungsbogen, irgendetwas, was der Geschichte Tiefgang verleiht.

    Das Problem war auch, dass meine Sympathie und mein Mitgefühl aufgrund ihrer Kindheit für Muna irgendwann umgeschlagen war. Ich kann nicht sagen in Hass oder dergleichen, aber in Gleichgültigkeit. Denn wenn sie ihr Leben als Opfer verbringen will, dann bitte schön. Aber das will ich weder lesen noch mich damit im meiner raren Freizeit beschäftigen noch dafür so viel Geld ausgeben.

    Bereue ich das Buch gelesen zu haben? Nein, denn Reue ist sinnlos. Aber schade um meine vergeudete Lebenszeit.

  • Zweiter Teil. Schwierig. Anstrengend und manchmal einfach nur traurig. Mein Mitgefühl für Muna hat sich mittlerweile in Mitleid verwandelt. Denn für mich ist Muna so ein typisches Beispiel für einen Menschen, der zwar altersmässig erwachsen ist, aber emotional noch in den Kinderschuhen steckt.

    Muna hat meines Erachtens keinen oder nur einen extrem geringen Selbstwert, leidet unter Bindungsangst und hängt sich an Magnus, um von ihm das zu bekommen, was sie sich eigentlich von ihrem Vater gewünscht hätte, aber dort nicht bekommen hat.

    Ich habe auch nicht das Gefühl, dass Muna selbstbestimmt entscheidet. Sie entscheidet schon selbst, immer wieder woanders hinzugehen, was bei mir aber eher den Eindruck erweckt, dass sie auf der Flucht ist. Auf der Flucht vor sich, dem Leben, ihrer Vergangenheit, ihren Traumatas.

    Und wie nicht anders zu erwarten war, lässt sie sich wieder ausnutzen, ohne irgendwelche Muster zu erkennen oder sogar zu hinterfragen.

    Was mir ein bisschen aufstösst, ist die meines Erachtens durchweg “negativ angehauchte” Schilderung der Lebensumstände in der ehemaligen DDR. Die Autorin ist in Ungarn aufgewachsen. Zwar auch sozialistisch, aber eben nicht die DDR. Sie selber hat, soweit ich das gesehen habe, nie in der DDR gewohnt, sondern ist zu einer Zeit in das Territorialgebiet der ehemaligen DDR gereist, als es diese staatentechnisch schon nicht mehr gab und die Menschen einfach euphorisch alles mitnahmen, was es gab, und ständig allen und jeden bestätigen mussten, wie schlecht alles war. Damit soll die ehemalige DDR jetzt nicht beschönigt oder die Dinge, die geschehen sind, verharmlost werden. Aber gerade für Kinder war es wesentlich “offener” und positiver als von der Autorin dargestellt. (Spreche aus eigener Erfahrung.)

    Bin gespannt, was der dritte Teil bringt, wobei ich, ehrlich gesagt, auch ein bisschen Angst davor habe. Denn, wie tief muss Muna denn noch sinken, bevor sie aufwacht. Wenn sie es überhaupt tut.

  • Vicy Ich persönlich finde das total schwierig. Denn, wenn ich es nicht sage und auch sonst keine Regung zeige, wie die Autorin es ja in Bezug auf Mona beschrieben hat, woher soll der andere wissen, dass ich es nicht will? Wir können alle keine Gedanken lesen und nur bis zur Stirn der anderen Personen schauen.

    Es ist ja auch nicht so, dass sie überhaupt nichts macht und alles nur passiv über sich ergehen lässt, sondern sie tut ja was aktiv. Woher soll also Bartley wissen, dass sie das nicht will? Woraus soll er seine Erkenntnis ziehen? Er hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Muna nicht will. Sie zeigt keinerlei Regung, sie sagt nichts und sie macht mit. Was in ihrem Kopf vorgeht, kann er nicht wissen.

    In Schweden gibt es ein Gesetz, wonach praktisch alles als Vergewaltigung zählt, wenn man dem Sex nicht zustimmt. Aber selbst dort gilt “Sich einfach körperlich zu beteiligen, ist ein Zeichen der Zustimmung”.

    • Anirah Ich denke, der Roman spielt um die Wendezeit herum, so 1989, 1990. Lass Magnus mal 1989 “abgehauen” sein. Lass Muna mal 1990 angefangen haben zu studieren, so dass sie 1991 im zweiten Studienjahr war. Ich habe 1996 studiert und bei uns an der Uni hat das damals schon funktioniert. Dort wurde ein Professor abgesetzt, obwohl er nicht einmal so übergriffig war wie Bartley. In unserem Fall ging es um einen Satz, der in der Vorlesung gefallen war, den man so oder so interpretieren konnte. Und das war sein “Ende” in der Funktion an der Uni.

      Ich finde es schade und traurig, wenn andere andere Erfahrungen machen mussten.

      • Cleolatte hat auf diesen Beitrag geantwortet.
      • Anirah Das hatte ich gar nicht gelesen.

        Aber spricht das nicht eher dafür, dass sie auch eine gewisse Macht hat bzw. Macht über ihn? Denn es ist ja nicht so, dass Bartley gesagt hat: “Wenn du nicht mit mir schläfst, bekommst Du eine schlechte Note.” Stattdessen ist es andersherum. Sie verlangt und er macht.

        Darüber hinaus hat er sich bei ihr entschuldigt. Was für mich jetzt auch nicht so klingt, als ob derjenige ist, der Macht über Muna hat.

        Und ich glaube, wir sollten ihre Macht definitiv nicht unterschätzen. Ein Wort von ihr an der Uni, dass Bartley übergriffig ist und sein Ruf hat einen Ruf weg.

        Ich glaube, Muna ist um die zwanzig. Sie war 18, als ihre Mutter versucht hat, sich umzubringen. Als sie in der Reha war, hat Muna Abitur gemacht und Bartley kam im zweiten Studienjahr.

        • Anirah und Vicy haben auf diesen Beitrag geantwortet.
        • Anirah Woher weisst Du, dass Bartley Professor ist? Ich hatte nur gelesen, dass er ein Gastdozent ist.

          Bei uns an der Uni gab es auch Gastdozenten, die haben im Rahmen der Erstellung ihrer Doktorarbeit an unserer Uni Vorlesungen gegeben. Die hatten keinerlei Rechte im Hinblick auf Notengebung oder dergleichen. Wenn Bartley auch in die Kategorie einzuordnen wäre, gäbe es kein Machtgefälle. Und selbst wenn er Professor wäre, göbe es doch nur dann ein Machtgefälle, wenn er an einer anderen Universität auch Noten vergeben dürfte und damit Einfluss auf Muna ihre Noten nehmen könnte. Keine Ahnung, ob das Gastprofessoren überhaupt dürfen.

          Woher weisst Du, dass zwischen Muna und Bartley ein grosser Altersunterschied besteht?

          Und warum soll Muna nicht wissen, wie ihr geschieht? Ich hatte beim Lesen eher den Eindruck, dass sie sehr überlegt ist, sehr abwägend, oder wie es schon einmal hier in der Leserunde erwähnt wurde, berechnend. Das vermittelte mir jetzt nicht unbedingt den Eindruck, dass sie nicht realisiert, was ihr passiert.

          Ich bin mir nicht mal sicher, ob die beiden eine Beziehung haben. Ich hatte das eher als Vereinbarung verstanden. So nach dem Motto: “Du gibst mir das und ich gebe Dir dafür das.” Was für mich völlig legitim wäre.

          Dass Muna sich ekelt, hatte ich in Relation zu ihren Überlegungen gesetzt, dass sie hofft, dass sich die Sache mit dem Sex normalisieren würde, wenn sie mit Bartley schläft. Daher hatte ich dem jetzt keine grössere Bedeutung beigemessen.

          • Ich finde die Runde total toll. Ich habe noch nie so oft immer wieder in ein Buch geschaut und Passagen nachgelesen, und ich finde es total faszinierend, wie unterschiedlich ein Text gelesen werden kann. Danke dafür.

          • Ich bin verwirrt oder ganz raus. Aber irgendwie fehlt mir jetzt ein Stück Verständnis.

            Ich habe es nicht so verstanden, dass das Verhältnis von Muna zu Bartley missbräuchlich ist bzw. dass er sie missbraucht hat. Denn wo soll denn der Missbrauch liegen. Weil er ihr Professor ist? Weil er die Initiative ergriffen hat? Muna hat zu keinem Zeitpunkt nein gesagt. Sie hat zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, dass sie das nicht will. Bartley hat sich nach seinem Kuss sogar entschuldigt. Und bevor Muna mit ihm geschlafen hat, hat sie ja sogar darüber nachgedacht, mit ihm zu schlafen, damit sich “die ganze Sache mit dem Sex irgendwie normalisierte”. Darüber hinaus hätte sie ja auch mit dem Rad wegfahren können, als sie auf dem Weg zu Bartley waren.

            Auch, dass Muna keine Grenzen setzen kann, habe ich so nicht herausgelesen. Denn sie grenzt sich ja bewusst ab. Zumindest habe ich das so verstanden. Denn während sie mit Bartley schläft, weist sie Mike zurück. Sie könnte ja genauso gut mit Mike schlafen und Bartley zurückweisen.

            Aber vielleicht habe ich es auch nur einfach überlesen. Die Nuancen. Die Zwischentöne.

            • roura Ging mir genauso. Harzig trifft es ganz gut. Wobei ich nicht weiss, ob ich sagen würde, dass der Alkoholismus der Mutter mit “Humor” beschrieben wird. Eher mit Verzweiflung. Oder vielleicht Galgenhumor.

            • Eine der düstersten, deprimierendsten Geschichten, die ich bislang gelesen habe. Ich fühle mich beim Lesen wie zerrissen. Zerrissen, ob ich Mitleid oder Mitgefühl mit Muna haben soll. Gleichzeitig stellt sich aber auch so ein Gefühl ein, dass Muna so ein typisches Beispiel für all die Psychologen ist, die sagen, behaupten oder was auch immer, dass wir von unseren Eltern lernen, was wir wert sind und wie Beziehungen funktionieren, ob wir davon überzeugt sind, dass wir unser Leben selbst in der Hand haben und gestalten können, oder ob wir einfach alles über uns ergehen lassen müssen, und daraus das Beste machen sollten.

              Sprachlich finde ich die Geschichte bisher herausfordernd, teilweise sogar anstrengend und nicht wirklich leicht zu lesen. Macht es Spass? Nicht wirklich, aber irgendwie zieht es einen trotzdem in seinen Bann. Wobei ich nicht genau sagen kann, woran es liegt. Vielleicht an dem Gefühl der Hoffnung, dass alles gut wird. Irgendwie. Weil ich es mir für Muna wünsche.

              • Blatt Lässt sich Muna wirklich missbrauchen oder benutzt sie ihn nicht auch ein Stück weit? Um die Leere in sich zu füllen, um sich nicht allein oder einsam zu fühlen? Um sich gesehen zu fühlen? Um Zugang zu der einzigen Welt zu haben, die sie kennt? Und um diesen zu bekommen, setzt sie sich und ihren Körper ein, nutzt diesen als Bezahlung.

                Ich habe eher den Eindruck, beide benutzen sich gegenseitig, um das zu bekommen, was sie wollen oder glauben, zu brauchen.

              • Fanny Ich bin dabei. 🤩 Auf den ersten Blick wäre es kein Buch nach dem ich greifen würde. Dafür ist mir der Einband zu düster, zu dunkel, zu abstrakt. Dann lieber ganz ohne Bein. 😅 Das Geriffelte auf dem Cover finde ich interessant, auch wenn ich beim Drüberfahren Gänsehaut bekomme. 😖 Bin gespannt.

              • Fanny Jetzt. 😅 Sogar persönlich abgegeben. Kam nicht mit der normalen Post, sondern mit dem Paketdienst… 🤔🧐

              • Fanny Bisher noch nicht. Aber unser Nachbar hat mir gestern erzählt, dass die Post bei uns immer etwas länger dauert. 🤷🏻‍♀️

              • Fanny Okay. Dann werde ich mal mein Lager am Briefkasten aufschlagen.. 😁

                • Fanny hat auf diesen Beitrag geantwortet.
                • Fanny gefällt das.
                • Fanny Mein Exemplar ist noch nicht da. 😭 Und ich habe extra kein neues angefangen… 🤦‍♀️

                  • Fanny hat auf diesen Beitrag geantwortet.
                  • Fanny Mich hat der Titel angesprochen. Die Hälfte des Lebens. Für so viele ist das eine besondere Zeit und trotzdem gibt es so wenige Bücher dazu. Ich finde das eine besonders interessante Zeitspanne. Zeit, Dein Leben Revue passieren zu lassen, endlich emotional erwachsen zu werden und sich zu überlegen, was man mit dem Rest seines Lebens anfangen soll. Wenn man Glück hat, hat man tatsächlich noch eine zweite Hälfte. Wenn nicht, vielleicht weniger. Auf jeden Fall freue ich mich riesig, dabei zu sein.

                    • … so auch der Autor. Und das darf er doch auch. Denn warum sollte es denn nur die EINE Wahrheit geben? Wo doch jeder seine ureigenste Brille trägt, mit der er oder sie die Welt betrachtet.

                      Insofern fand ich es ein interessantes Buch. Eine Möglichkeit, sich mit seiner eigenen Wahrheit oder seinen eigenen Gedanken zu einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Wahrheit auseinanderzusetzen. Denn oft komme ich selbst doch erst durch die Gedanken anderer auf andere eigene Gedanken und das ist doch erstrebenswert.

                      Sicherlich bedient der Autor viele Klischees und Stereotypen. Aber wer sagt denn, dass darin nicht auch ein Quentchen Wahrheit stecken kann? Weil es nicht mit unserem feministischen, emanzipierten Denken zusammenpasst? Weil es sich unangenehm anfühlt, sich der “Wahrheit” zu stellen?

                      Wir sind doch alle erwachsen, oder? Vielleicht nicht alle emotional erwachsen, aber zumindest erwachsen. Warum fällt es uns dann so schwer, uns einzugestehen, dass die in dem Buch angesprochenen Wahrheiten vielleicht doch wahrer sind als uns lieb ist?

                      Das Buch ist gegliedert in 40 Abschnitte, in denen sich der Autor mit verschiedenen “Wahrheiten” auseinandersetzt. Die Ausführungen sind leicht verständlich und nachvollziehbar, lesbar und verhältnismässig kurz und knapp, wobei der Umfang der Auseinandersetzung mit den einzelnen “Wahrheiten” variiert. In den Ausführungen werden die in den Augen des Autors wesentlichen Punkte kursiv, mittig und grösser als der laufende Text hervorgehoben.

                      Der Autor selbst erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Ausschliesslichkeit “seiner Wahrheiten”, sondern stellt selbst klar, dass alles auch ganz anders sein kann. Dass er das Buch nur aufgrund seiner Erfahrungen so geschrieben hat, wie er es geschrieben hat. Dass es vielleicht nur eine Wahrheit von vielen ist.

                      Warum dann aber nur vier Punkte? Weil ich mir eine “breitere” Bandbreite der “Wahrheiten” gewünscht hätte oder erhofft hatte.