TheOwl

  • 9. Aug 2023
  • Beitritt 29. Aug 2022
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  • 1951 Punkte
  • Schreiben ist die Kunst, seinem Geist einen Körper zu geben. Und dementsprechend ist für mich das Lesen einer der schönsten Genüsse. Ich befasse mich gerne mit hochgestellter Literatur und finde es äusserst faszinierend, wie Schriftsteller:innen mit dem Werkzeug "Sprache" umgehen können. Nebst Klassikern lese ich auch gerne Romane und Krimis zum reinen Vergnügen. Dem Book Circle bin ich beigetreten, weil ich mich gerne über Bücher austauschen möchte.

  • Dieses Buch hat’s in sich! Mich beeindruckt, wie die Autorin mit einer sehr lebendigen Sprache diese geheimnisvollen Frauen aus ihren Gemälden erweckt, und war ab den ersten Seiten in den Bann gezogen. Beim Lesen dieser ersten Kapitel war es mir, als sässe ich im Geschichtsunterricht und liesse mich von den Zeitzeuginnen höchstpersönlich unterrichten. Der Text ist sehr dicht und gespickt voll mit (kunst-)historischen Ereignissen, und dennoch taucht man schwerelos in bewegte Vergangenheiten einiger äusserst interessanten und prominenten Frauen ein.

    Um was es in diesem Buch thematisch einerseits geht, zeigt für mich das erste Kapitel über Cecilia Gallerani bereits sehr schön:

    “Doch bei mir steht nur noch das Äussere zur Debatte. […] Meine geschriebenen Worte hat niemand aufbewahrt.”

    Die Frau, gefangen in einer Rolle, die dem Mann Untertan ist. Der Künstler hat sie mit Pinsel und Kolorit ein für allemal zum Schweigen gebracht. Den Mund öffnen, darf und kann sie nun nicht mehr. Ich glaube, dass Martina Clavadetscher bewusst porträtierte Frauen gewählt hat, um ihnen nun doch eine Stimme zu geben, die ihnen über Jahrhunderte verboten wurde. Es ist ein Thema, das überall mitschwingt und schwer zu leugnen ist, doch nicht überall ist es gleicht stark “gemalt”. Wo dem aber so ist, hört man sie aus den Gemälden regelrecht sprechen, wenn nicht sogar schreien, und wie! Hendrickje Stoffels wird als eine sehr selbstbewusste und temperamentvolle Person beschrieben, die es trotz ihrem Streben nach Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung schwer hat. Ihre Erzählung lässt auch erstmals die Abgründe eines Künstlers ans Licht.

    Im Kontrast zu dieser Geschichte steht Angelika Kauffmann, die es durch die Förderung ihres Vaters und dank ihrem künstlerischen Talent zum Aufstieg einer prominienten Persönlichkeit schaffte. Dass sie eine international bekannte Figur war, zeigt unter anderem auch die Passage, in der beschrieben wird, dass Goethe bei ihr zu Besuch war und wie gut die beiden miteinander befreundet waren. Es werden Anspielungen auf Goethes Heldenhaftigkeit bezüglich den Frauen gemacht. Wie ich finde ist diese Szene ein köstliches Detail, wohl aber auch aus dem Grund, weil ich meines beschränkten Vorwissens, diese Kleinigkeit zu erfassen vermochte. Ansonsten bleiben mir viele Anspielungen auf historische Ereignisse ein Rätsel, weshalb diese Literatur eine Menge Ansatzstellen für weitere Recherche bietet, um das Buch “tot zu diskutieren”.

    Die porträtierten Frauen bleiben für mich aber geheimnisvoll, obschon oder vielleicht gerade weil mein Kopfkino sie nun lebendig abgespielt hat.

  • Potsdam 1985. Für René sind es die letzten Sommerferien mit seinen Freunden, bevor er die Stadt verlässt und auf ein Internat geht. Melancholisch verstimmt trauern sie einer Zeit entgegen, die sich so nie mehr wiederholen wird. Umso mehr gilt es also die kommenden Wochen in vollen Zügen zu geniessen und man hat auch sturmfrei. Der Vater auf Geschäftsreise und die Mutter verstorben. Letzteres Schicksal ist in diesem Zusammenhang keineswegs gut zu reden, es soll vielmehr zeigen, dass der halbweise, sechzehnjährige René nun ganz allein die Wohnung hüten muss. Na ja, so allein ist er doch wieder nicht. Er hat ja seine Freunde, und klar geht’s bei diesen Jungs vor allem um eines: Mädchen. Es ist der Anfang des Endes eines unvergesslichen Sommers.

    “Skizze eines Sommers” von André Kubiczek beschreibt in einer sehr warmherzigen und einfühlsamen Art die schöne Tragik der Jugend. Mit einer Leichtigkeit, die melancholisches, witziges und liebevolles in einem zu verpacken vermag, erzählt er von der schönen und zugleich empfindlichen Zeit der Adoleszenz und lässt die Liebe nicht zu kurz kommen.

    Wie ich finde, ist dieser Roman völlig zurecht auf der deutschen Shortlist 2016 gelandet. Bei dieser rücksichtsvollen Schilderung der “ewigen Jugend” wird einem ganz warm ums Herzen.

  • CommunityAdmin

    Das Werk ist angekommen! Ich habe es gerade aus dem Briefkasten genommen und freue mich riesig auf die Diskussion. Danke vielmals!

  • Hallo zusammen

    Ich freue mich riesig auf einen regen und fruchtbaren Austausch mit euch. Ich bin neu hier und umso glücklicher, gerade beim ersten Gewinnspiel ein Buch gewonnen zu haben. “Vor aller Augen” klingt äusserst interessant. Dieser radikale Perspektivenwechsel bietet uns hoffentlich ein vertieftes Eintauchen in die Welt der Kunstgeschichte und ich bin gespannt, wie sich mein Blick auf die Kunstwerke von Da Vinci und co. ändern wird. Abgesehen vom Inhalt nimmt es mich auch wunder, wie das neue Werk von Martina Clavadetscher formal gestaltet ist, denn sie scheint ja durchaus literarisch begabt zu sein, wie zumindest aus ihrer Biografie zu entnehmen ist.

    Frohes Leses euch allen!