Hallo miteinander
Ich habe den Roman mittlerweile fertig gelesen. Ich habe ehrlich gesagt nach dem zweiten Drittel einfach weitergelesen und hab nicht mal bemerkt, dass ich ja nun eigentlich im dritten Drittel bin.
Die Literatur um den zweiten Weltkrieg hat mich schon immer fasziniert und ich habe wirklich sehr sehr viele Bücher über diese Zeit gelesen. ,,Ritchie Girl’' hat mich deswegen - anders als viele von euch - ab Minute 0 total in den Bann gezogen.
,,Nicht schon wieder ein 2.WK-Roman’‘, haben mir viele gesagt, als ich ihnen von ,,Ritchie Girl’‘ erzählt habe. Die Thematik sei doch langsam ein bisschen ausgelutscht. In gewisser Weise musste ich meinen Freunden Recht geben. Andererseits beleuchtet ,,Ritchie Girl’‘ ein Thema, welches m.E. in der Literatur viel zu wenig abgehandelt wird. Meist wird vorwiegend der Krieg selber thematisiert, nicht aber, wie es dann weiterging. Aus diesem Grund habe ich das Buch regelrecht verschlungen. Ich war schon geschockt, dass so viele Nazis verschont und teilweise auch begnadigt wurden. Für mich hat ,,Ritchie Girl’' nun denn auch den Anstoss gemacht, mich endlich auch den Büchern zu den Nürnberger Prozessen zu widmen.
Ich mochte die bildhafte, sprunghafte aber trotzdem knallharte Sprache sehr. Ich persönlich habe Mühe, wenn die Sprache nicht in die Zeit und die Umstände passt und das Thema ,,verromantisieren’‘. Andreas Pflüger hat es meines Erachtens sehr gut getroffen. Ein übrigens weiteres Beispiel sprachlicher Genialität im Zusammenhang mit dem 2. WK stellt für mich ,,Anus Mundi’‘ von Wieslaw Kielar dar. Das liest sich wie ein Protokoll des Grauens. Ich würde das Buch aber allen, denen ,,Ritchie Girl’' zu harte Kost war, auf keinen Fall empfehlen.
Die Figur der ,,Paula Bloom’‘ war mir, wie vielen von euch, zu konstruiert. Ich hab sie als nicht glaubwürdig eingestuft. Ihr sind zu viele ,,berühmte Nazis’‘ über den Weg gelaufen und sie hat sich denen gegenüber doch immer sehr vorlaut verhalten. Es ist unmöglich, dass sie das überlebt hat. Nichts desto trotz mochte ich die Entwicklung, welche sie durchlaufen hat. Ich hatte das Gefühl, dass Paula im Laufe des Buches erwachsen wurde - oder anders gesagt - einen anderen Blick auf das Ganze erhielt. Auch sie - wie alle Leser auch, mich eingeschlossen - musste feststellen, dass es nicht nur schwarz und weiss gibt. Und die ,,weissen’‘ definitiv auch ,,schwarz’' tragen. Die Liebesgeschichte mit Sam kam für mich nicht vollends überraschend. Ich finde es schön, dass die beiden nun endlich zueinander gefunden haben.
Es hat mir gefallen, dass die Geschichte aus der Perspektive einer Frau geschildert wurde. Auch das hat das Buch irgendwie ,,menschlicher’' gemacht und hat die Gegebenheiten in dieser Zeit nochmals untermalt. Auch wenn das Buch teilweise sexistisch daher kam, gewann es für mich doch an mehr Tiefgang.
Ich habe sämtliche realen Personen, welche im Roman vorkamen fleissig gegoogelt. So konnte ich mein Hintergrundwissen schön ausbauen und habe auch viele interessanten Details kennengelernt. Die Konfrontation mit den realen Personen fand ich schon allein deshalb spannend. Was es für mich aber noch viel spannender machte, war, dass es Andreas Pflüger gelang, die realen Schreckgestalten zu vermenschlichen. Auch in seinem Schlusswort schreibt er so schön: ,,Der Mann in Ritchie Girl ist mein Walther Rauff. So wie es mein Robert Kempner, mein Allen Dulles, meine Hanna Reitsch ist.'' Es war für mich auch nie essentiell, ob die Personen effektiv so waren. Allein die Möglichkeit, dass sie so gewesen sein könnten, ist für mich interessant. Andreas Pfüger hat das aus meiner Sicht sehr schön dargestellt.
Am Schluss des Buches stellt sich mir die zentrale Frage, ob der Tod für solche Verbrechen wirklich die richtige Strafe ist. Denn es macht die Personen, welche den Tod vollstrecken doch auch direkt zu Verbrechern. Dies wurde übrigens aus der Szene nach den Hinrichtungen sehr schön dargestellt, als alle die Tatsache feierten, dass die Falltüre falsch konstruiert war.
Ich würde das Buch auf jeden Fall an interessierte Leser empfehlen.
An dieser Stelle möchte ich mich sehr für die Leserunde bedanken. Ich habe es wahnsinnig spannend gefunden, zu lesen, wie das Buch auf andere wirkte.