Hanna hat enorm Mut, wieder in ihre alte Heimat zurückzukehren. Sie folgt ihrer Sehnsucht, schreibt die Autorin. Aber liegt es vielleicht nicht eher daran, dass ihr unbewusstes Ich sie auffordert, sich der Vergangenheit zu stellen, sie zu bereinigen und mit ihr Frieden zu schliessen? Sie wirkt nach aussen kühl und distanziert: nach einer solch schweren Kindheit habe ich volles Verständnis für ihre Art und fühle mit ihr mit, da uns die Autorin einen guten Einblick in ihre Gefühlswelt verschafft. Ich vermute, dass Hanna eine enorme Entwicklung über die drei Romanausgaben machen wird und wir am Ende von Band 3 sicherliche eine gereifte und gestärkte Persönlichkeit in ihr ausmachen werden. Auf jeden Fall hat sie enorm viel Entwicklungspotenzial, obwohl sie sich das noch nicht bewusst ist.
Rebecka ist für mich das klassische Beispiel von jemandem, der es “nie aus dem Dorf geschafft hat”. Es ist enorm schwer, in solch jungen Jahren ein Kind grosszuziehen, vorallem weil sie den Anspruch an sich hatte, sich mit Axel zusammenzuraufen und Joel eine “normale” Kindheit zu ermöglichen. Aber: wie wäre wohl Rebeckas Leben verlaufen, wenn sie nach der Trennung von Axel Mut gehabt hätte, von Öland wegzuziehen und z.B. in Stockholm oder Malmö ein neues Leben zu beginnen anstatt sich (meine Vermutung) an den “Nächstbesten” aus dem “gleichen Dorf” hinzugeben, obwohl sie am Anfang wegen Petris Ruf gezögert hatte? Und dann die Affäre mit Gabriel… Wird Petri ausrasten, wenn er davon erfährt?
Der Aufbau des Romans ist, abgesehen von Joels “Rückblick”, stereotypisch aufgebaut: Axel ist der erste Verdächtige, den die Polizei unter die Lupe nimmt. Es würde mich nicht wundern, wenn wir im weiteren Verlauf lernen, dass er ein stichfestes Alibi hat und sich die Geschichte dem/die nächsten/e Verdächtiger/e zuwendet. Daher ist für mich der regelmässige Einschub “Der letzte Tag” sehr willkommen - wir lernen Joel besser kennen und erhalten als Leser eine Perspektive, die der Polizei und den anderen Figuren verwehrt bleiben wird.
Die Geschichte hat mich dennoch sehr gefesselt. Sie ist spannend geschrieben und liest sich sehr flüssig. Ein grosses Kompliment auch an die Übersetzerin, dass sie die Energie so grossartig ins Deutsche bringen konnte. Es passiert leider immer wieder, dass “Qualität” bei Übersetzungen verloren gehen kann.
Fragen nach Teil 1, die mich beschäftigen:
- Wer ist die blonde Frau, die Hanna am Möckelmossen fotografiert hat?
- Von wem wird Joel bedroht? Er bezeichnet sie als “Kuh”, darum muss es eine Frau sein. Ist es diese rätselhafte blonde Frau?
- Wer ist der anonyme Anrufer bei Hanna? Wie ist er/sie an die Telefonnummer gekommen?
- Was wollte Joel seiner Mutter sagen? Dass er sich zu Männern hingezogen fühlt? Einen kleinen Hinweis hat uns Joel vermittelt, als er nach dem Treffen mit Nadine im Cafe sitzen bleibt und die Jugendlichen am Nebentisch beobachtet.
Ich bin gespannt auf eure Eindrücke.