Das Buch nimmt eine Wendung. Einerseits verändert sich die “Zeit”. Es geht nicht mehr um Stunden und Tage, die Rede ist von Monaten. Die Liegestunden und das Essen nehmen weniger Raum ein.
Settembrini hält wieder einen langen Vortrag über Humanismus etc. Er scheint genau zu wissen, was Geist hat und was nicht. Aus seiner Sicht hat Hans Castorp mit seinem praktischen Beruf wenig Bezug zu Geistigem. Die Grenzen werden überhaupt oft sehr prägnant gezeichnet. Das bringt einen dazu, seine eigenen Gedanken genauer zu betrachten.
Das Kapitel Humaniora fand ich recht unterhaltsam. Wie die Herren Behrens und Castorp die Vorzüge ihrer Raucherwaren preisen und sich gegenseitig eine Zigarre zum Tausch anbieten. Das hat Charme und lässt einen gewissen Stil erahnen. Auch der Besuch in Behrens’ Haus war interessant. Hans Castorp hat es geschickt eingefädelt, sich und Joachim einzuladen, um die Bilder, die Behrens gemalt hat, zu betrachten - natürlich vor allem das Porträt, das jener von Madame Chauchat gemalt hat. Wie du, @Schoma auch anmerkst, wird der Haut viel Bedeutung beigemessen, das auch im medizinischen Sinn. Haut wird in diesem Roman recht häufig genannt - der Tein, die Haut, die durch den zarten Stoff schimmert …
Mit dem Kapitel “Forschungen”, der Philosophie über “Was ist das Leben”, bin ich nicht so warm geworden. Es war recht ausschweifend. Der Exkurs über die Kälte, Wärme, zum Leben. Eiweisslösen …Und doch leicht zu lesen und gut. Die Gedanken von Castorp und Co. schweifen hier sehr sowohl in die Ferne, in die Breite als auch ins Detail - sie haben schliesslich enorm viel Zeit. Eine Schlussfolgerung, die ich angemekrt habe: “Krankheit war die unzüchtige Form des Lebens”.
Totentanz - das Sterben. Dieses Kapitel hat mich fasziniert. Die Überlegungen, wie viel Geld man noch ausgeben darf, wenn der Tod so nah ist, am Beispiel von Herrenreiter, der noch so viel Sauerstoff konsumiert hat, als eine unnütze Verschwendung dargelegt. Auch weil die Witwe mittellos zurückblieb. Hans Castorp wird neugierig auf das Sterben, er achtet genau darauf, wenn in einem Zimmer “gestöbert” wird. Er und Joachim betätigen sich als Helfer für die Sterbenskranken, die Moribunden. Blumen bringen, Besuche machen. Einerseits befriedigen sie vermutlich die Neugier oder das wissenschaftliche Interesse von Hans Castorp, andererseits haben sie eine Aufgabe und werden geachtet.
Walpurgisnacht - die Fasnacht im Sanatorium. Das ist ein amüsanter Abschnitt. Wie sich die Leute verkleiden, gewisse Hemmungen ablegen, wie das auch oft an Fasnacht geschieht, unter dem Mantel der Verkleidung und von Fasnacht, ist mehr erlaubt. Castorp nähert sich Madame Chauchat. Da wird mehr Nähe. Sie flirten richtig. Die nackten Arme - fast unerhört.
Ich bin gespannt wie es weitergeht. Es ist für mich nicht vorhersehbar, sehr interessant. Thomas Mann hat hier ein sehr vielseitiges Buch geschaffen, das zeigt sich über das ganze Lesen hinweg. Nun gehen wir an den zweiten Teil.