Ich habe den ersten Teil ebenfalls ausgelesen. Mir gefällt der Stil recht gut, denn dadurch ist das Buch leicht und flüssig lesbar. Ich finde die Gefühle der Mutter nachvollziehbar und wenn man sich richtig in sie hineindenkt, fühlt man sich ebenfalls ermattet. Matthias wird hier als der “typische” Vater dargestellt, der die Erziehung und den Haushalt seiner Frau überlässt. Darüberhinaus spielt er bisher auch kaum eine Rolle und wenn er doch auftaucht, ist er gestresst, weil er unbedingt in die Redaktion muss. Das stört mich sehr an diesem Buch (klassische/überholte Rollenaufteilung) Zudem gibt Matthias seiner Frau keinerlei Halt oder bietet ihr irgendeine Unterstützung an. Nein im Gegenteil, er bagatellisiert es, indem er sich, trotz seiner Wahrnehmung und ihrer Aussage, immer wieder aus dem Familienleben herausnimmt. Darüberhinaus sagt er, dass sie ihn reden lassen solle, wenn es um Aussprachen mit Frau Bächle oder Frau Leuthard geht, da er Jil nicht zutraut etwas Vernünftiges zu sagen. Die völlige Ignoranz von allen Beteiligten im Buch, dass auch Jil einen Beruf hat, finde ich absolut untragbar, denn darüber sollten wir doch hinaus sein.
Ich verstehe Jils Ängste, Sorgen und ihre Erschöpfung, was ich aber nicht verstehe ist, dass wenn sie Anatol mal wieder abholen muss und dieser fragt: Mama bist Du böse? Ihre Antwort darauf stets: “Nein. Ich hab dich lieb” lautet. Ich finde es richtig Kindern immer das Gefühl zu geben, dass sie geliebt werden, aber warum sagt sie nicht einmal zu Anatol “Doch ich bin böse, denn ich kann dein Verhalten nicht verstehen!” Sie könnte ihn wenigatens mal fragen, warum er immer wieder so ausrastet. Teilweise beginnt er auch einfach zu schreien, weil er keine Schokolade, das Handy oder das Tablet bekommt. Das hat für mich etwas mit mangelnder Erziehung zu tun. Kinder müssen lernen, dass es im Leben nicht nur um sie selbst geht, sondern dass auch die anderen in ihrer Umgebeung Bedürfnisse haen und dass man sich manchmal auch integrieren muss. Anatols Eskapaden bleiben immer ohne Folgen für ihn. Dennoch muss es noch etwas anderes geben, weshalb es dem Kind so schwerfällt mit den anderen Kindern in die gezielte Interaktion zu treten. Das wird nicht nur an mangelndem Interesse an Computerspielen seitens der Gspänli liegen.
Ich kann verstehen, dass Anatol unterfordert ist, denn mit seinen sechs Jahren interessiert er sich schon für das Programmieren und kann das sogar selbst schon. Andererseits kann er sich aber immer noch nicht allein anziehen. Das kommt bei Menschen mit Hochbegabung/ Autismusspektrum ja immer wieder vor, dass sie teilweise brillant auf einer Seite und völlig hilflos auf der anderen Seite sind. Auch reden sowohl Frau Bächle, als auch Frau Leuthard und Christine immer davon, dass Anatol gefördert werden solle, aber machen tut es keine von ihnen. Warum setzt sich niemand mit dem Jungen an einen Tisch und spricht mal mit ihm und fragt ihn, warum er so ein derartiges Verhalten an den Tag legt und was er sich davon verspricht. Und weshalb fragt niemand das Kind, was sie machen können, damit er sich wohler fühlt? In allen Notfallgesprächen mit den Eltern werden diese nie gefragt, was sie möchten, sondern sie werden immer nur über Beschlüsse informiert und vor vollendete Tatsachen gestellt. Wenn ich das richtig herausgelesen habe, begann das auffällige Verhalten Antaols erst, als Frau Bächle selbst Mutter wurde. Was ist denn in der Zwischenzeit im Kindergarten passiert und wann genau war das? Was war vorher anders? Faru Bächle scheint Anatol sehr zugeneigt zu sein, was sie einmal auch sagte (mehr als es für beide gut gewesen wäre). LEider wird der Leser nicht darüber aufgeklärt, was sie an Anatol so sehr mag (nur die Intelligenz und die Kreativität können es ja nicht sein). Wie hat sich Anatol vor Frau Bächles Abensenheit im Angesicht der anderen Kinder verhalten (spielte er mit ihnen oder nicht)? Ich hoffe diese Fragen werden im zweiten Teil des Buches aufgeklärt.