Das war jetzt ein sehr dichter und ereignisreicher Abschnitt. Mit Brot backen, Holz sägen, Reh ausnehmen, Birnen ernten, Besuch im Beinhaus, dem Eklat im Bad und schlussendlich dem Auftauchen der Eltern mit der Polizei. Und immer wieder Erinnerungen, vor allem von Liss, ans Schlachten, an Anni mit ihren Brezen, an das Einengende und Despotische ihres Vaters, an ihr eigenes bewusstes Weggehen von zu Hause.
Dabei ist es so, als ob Sally – von der wir meines Erachtens nicht so viel Neues erfahren und deren Eltern zwar nicht viel Einfühlungsvermögen für sie haben, aber im Vergleich zu Liss’ Vater nicht bösartig sind – Liss immer wieder einen Ball zu spielt, mal durch unbefangenes neugieriges Verhalten, mal durch unverhältnismässige wütende Reaktionen. Ein Wechselspiel. Ich finde die inneren Regungen der beiden nach wie vor sehr gut geschildert, sie kommen mir aber auch wieder mehr inszeniert vor. Im Laufe dieses Abschnitts sind mir die landwirtschaftlichen Ausführungen zudem wieder fast ein bisschen zu viel geworden (es geht auf und ab bei mir, ich weiss). Sie sind wie Mittel zum Zweck, um die positiven Veränderungen bei Sally aufzuzeigen. Das ging mir auch beinahe zu glatt und wirkte bisweilen unglaubwürdig. Zuerst wusste sie nicht, dass es verschiedene Birnensorten mit Namen gibt und dann lässt sie sich über bürgerliche und nautische Dämmerung aus und auch Sallys wunderbare Überlegungen zum verwunschenen Birnengarten und dass sich Liss diesen durch das Verwildern zu ihrem eigenen mache, schienen mir nicht zu Sallys sonstigen Überlegungen zu passen. Für mich kamen diese vom Autor und waren nicht gut angepasst an die Figur.
(Bezüglich der titelgebenden Birnen ist mir noch etwas aufgefallen: Liss sagte doch, sie gehe nur einmal im Jahr in den Birnengarten, nämlich um die Früchte abzuernten und danach werden sie zu Schnaps gebrannt. Woher kommen denn die Birnen, die jeden Tag auf dem Frühstückstisch liegen? Das nur so nebenbei, vielleicht habe ich da irgendwo etwas falsch verstanden. Oder hat jemand eine Erklärung für mich?)
Ausserdem kann ich Liss besser spüren, ihre Lebensgeschichte ist für mich greifbarer, ihre Reaktionen nachvollziehbarer. Das liegt aber vermutlich am Alter, sie ist mir viel näher.
Das hört sich jetzt nach viel Kritik an, aber alles in allem bin ich doch fasziniert von diesem Buch und lese es sehr gerne.