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Ich habe gestern Abend den ersten Part in einem Rutsch durchgelesen. Ich tue mich mit der Protagonistin Ida ein wenig schwer, ich weiß aber auch, warum: Weil sie mich im Innersten berührt. Ich habe selbst einen Alkoholiker als Vater und eine psychisch kranke Mutter, kenne also diese Ambivalenz zwischen Liebe und “Abneigung”, bei Ida eben Wut, sehr gut. Sie erinnert mich sehr an meinen eigenen Bruder. Ein bisschen Salz in meinen eigenen Wunden und das ist ja gut, wenn Literatur berührt und emotional authentisch wirkt. Schade finde ich aber, dass das Verhältnis zwischen Ida und Tilda so zerrüttet ist.
Die ganze Story rund um die “Robbe” finde ich etwas zu konstruiert. Offensichtlich will Knut ja von Anfang an helfen und hat ein Gespür für Ida als vor seiner Kneipe Gestrandete. Aber dass sie einen Tisch nicht bedient und bekifft aus ihrer Pause zurückkommt und er sie dann nach ihrem Zusammenbruch direkt nach Hause mitnimmt und mit Marianne quasi elterlich versorgt, finde ich doch ein wenig unglaubwürdig, oder aber, wie jemand von euch schrieb, “märchenhaft”.
Sehr berührt hat mich der Schluss des ersten Teils. Das “Egal” von Ida an ihre Mutter als die verpasste oder abgelehnte Gelegenheit einer Annäherung, die sie wohl immer bereuen wird (auch wenn ihre Mutter sie natürlich 1000mal diese Annäherung vorenthalten hat und es kein Wunder ist, dass sie aus Selbstschutz so reagiert). Am Ende sind bei mir dann auch Tränen gekullert, auch durch die schmerzhaften Details, dass die tote Mutter den Schlafanzug trägt, den ihre Töchter ihr zu Weihnachten geschenkt haben, dass sie sich gewaschen hat und die Wohnung aufgeräumt hat. Als würde sie wollen, dass ihre Tochter sie doch noch in guter Erinnerung behalten soll. Und wie kann sie, wenn sie gezwungen ist, ihre tote Mutter so zu finden? Aber insbesondere die Mutter finde ich herausragend gut dargestellt.
Bei Ida selbst bin ich mir noch nicht ganz sicher. Was mir etwas missfällt, ist, dass die Erzählweise sich natürlich an 22 Bahnen anschließt und Tilda und Ida dadurch sehr ähnlich auf mich als Leser wirken und das wiederum finde ich nicht ganz gelungen, aber vielleicht ist es auch gewollt. Vielleicht stehen Tilda und Ida einfach für verschiedene Facetten, die Kinder von Eltern, auf die man sich nicht verlassen kann, um die man sich kümmern muss, repräsentieren. Vor diesem Hintergrund finde ich auch die Namensgebung interessant: “Tilda” kommt wohl von “Mathilda” und bedeutet “die Mächtige”, “die Kämpferin”. “Ida” wiederum hat verschiedene mögliche Bedeutungen, weil es eben eine Kurzform ist. Es KANN aber auch eine Kurzform zu Mathilda sein und würde sich dann gleich ableiten lassen mit “Kampf” respektive “Kämpferin”. Und so passt es ja auch, beide jungen Frauen sind Kämpferinnen, müssen Kämpferinnen sein angesichts ihrer Herkunft, kämpfen aber unterschiedlich.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht!