Mein drittes und letztes November-Challenge-Buch habe ich vor Jahren geschenkt bekommen. Ich konnte mich bis zur Challenge nicht motivieren, mit lesen zu beginnen. Erstens aufgrund des Covers und des Umfangs und nicht zuletzt hatte ich mir eine langweilige Wanderung durch ein Gebiet vorgestellt, das ich gut kenne. So dass ich wenig Neues erfahren würde. Und dann wurde ich überrascht! Da das Buch bei Orell Füssli nicht gelistet ist, schreibe ich an dieser Stelle wie empfohlen, die Bewertung.
Titel: Auf den Spuren von Byron und Tolstoi, von Michail Schischkin (2012)
Inhalt: 1816 entflieht Byron - nach dem Skandal um seine Liebe zu seiner Halbschwester Augusta - trotzig an den Genfersee. 1857 sieht Tolstoi in Paris, wie ein Mensch guillotiniert wird, und flieht schockiert in die Schweiz. Beide wandern sie vom Genfersee ins Berner Oberland, und beide führen sie dabei Tagebuch, über Landschaft, Tod, Liebe, die Schweiz. 2001 wandert Michail Schischkin auf ihren Spuren dieselbe Strecke. Er liest ihre Tagebücher und führt ein eigenes. Seine Füße wandern, seine Gedanken wandern. In sieben Wandertagen entstehen ein Buch und eine Welt, Schischkins Welt. Ein überraschendes und reiches Buch über zwei ungleiche Länder, über Byron und Tolstoi, Tell und Stalin, das Berner Oberland und Tschetschenien, Touristen, Flüchtlinge, Literaten, Terroristen, Denkmäler, Berge - über Wandern und Leben, Tod und Literatur.
Bewertung: Was für eine wunderschöne Sprache: elegant, bildhaft, lebendig! Von Byron, resp. seinen Gedanken und Beziehungen habe ich wenig erfahren. Dafür umsomehr von und über Tolstoi. Der Autor z.B. meint, dass man um leben zu können, muss man gegen vieles immun sein. Tolstoi fehlt es an einer solchen Immunität, er krankte am Leben und wusste von keiner Arznei.
Im Buch erfährt man sehr vieles über Russland, über die Russen in der Schweiz und wie die Russen die Schweiz und Schweizer vor rund 150 Jahren und heute noch gesehen haben und sehen. Beispiele:
- man könnte sie (die Schweizer Armee), um einen weiteren Vergleich aus dem IT-Bereich herbeizuziehen, auch eine Art von upgraded Schützenverein mit jährlich stattfindenden Versammlungen all ihrer Mitglieder nennen / die Schweiz ist ein funktionierendes, reales Modell der Arche Noah, wo wir alle, so verschieden wir auch sind, Seite an Seite leben und am gleichen Strick ziehen, um unser Schiff vor Sturm und Sintflut zu schützen
- die Schweizer sind ein Volk ohne Sehnsucht / die Schweizer sind kein poetisches Volk / nirgendwo ist der verderbliche Einfluss der Uniform so deutlich zu spüren wie in der Schweiz / die Luft, man merkt es bald, ist herrlich rein - die Preise hoch wie die Berge