Juli Zeh fasziniert mich als Schriftstellerin, die sich mit aktuellen Entwicklungen und politisch-gesellschaftlichen Bewegungen auseinandersetzt und sich auch mit persönlicher Stellungnahme hineinwagt. „Zwischen Welten“ interessiert mich sehr, auch wenn ich beinahe schon erwarte, dass die Berührung mit Zeitempfinden, konkreten Lebensentwürfen und Weltinterpretationen schmerzen wird.
waluessi

- 6. Apr 2023
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Das Ende des Buches lässt mich ziemlich ratlos zurück. Mit Ausnahme einiger genialer Wortschöpfungen - „Dynamiteinander“ (S. 189) - ist die Sprache im dritten Teil auffallend weniger bilderreich als davor. An manchen Stellen ist es mir zu viel an Dramatik: „… unsere Schuhe voller Löcher, unsere Herzen voller Frust“ (S. 192). Die Sprache wirkt gescheit in Deutsch, Englisch und Lateinisch. Dafür fällt auch in Paris die französische Sprache und das damit verbundene Lebensgefühl bis auf Strassen- und Quartiernamen beinahe vollständig aus.
Die Geschichte ist unfertig und schräg. Das übt auf mich durchaus einen gewissen Reiz aus. Die Moral über die wirklichen Helden wäre dazu abee nicht nötig. Was mich am meisten irritiert: Jean erlebe ich - nicht nur weil er kaum wirklich als Fussbalfan, als der er bezeichnet wird, in Erscheinung tritt - als seltsam wenig maskulin. Die Charakterisierung von Menschen und ihrer Beziehung zueinander scheint mir keine Stärke der Autorin zu sein. Und mit der Wahl eines Mannes als Hauptakteur hat sie sich meines Erachtens übernommen.Auch ich bin beim Lesen dieses Buches hin- und hergerissen: Sean bekommt keine Konturen, als junger Mann wirkt er unglaubwürdig, dass er ein Fussballfan sein soll, wird eher behauptet, als dass es erlebbar wird. Ja, auch für mich wirkt die Beziehung zu Olga (bis jetzt) unmännlich asexuell. Mir fällt auf, dass die psychischen Belastungen der Leute, die seltsam charakterlos bleiben, im zweiten Teil eine „gefühlte“ (!) Ewigkeit lang keine Rolle mehr spielen und die Panikattacke gegen Ende lediglich als vernachlässigbare Episode erscheint. „Alles hängt mit allem Zusammen“, aber gerade da, wo es um Beziehungen geht, wirken die Personen auf weiten Strecken beziehungsarm.
Die Sprache allerdings ist ausserordentlich. Oft sehr inspirierend, innovativ und präzise: „Jung, alt, dick, dünn, gepflegt, ungepflegt. Eine Gruppe, wie sie nur das Schicksal zusammenführen kann. (S. 118). Wunderbar! Aber nur zwei Sätze davor barock überzogen und unnötig verschnörkelt: „In einer unverschämt teuren Bäckerei rühren Menschen energisch Kaffeesahne in ihre Becher, als würden sie ein nobelpreisträchtiges Experiment mit Quantitäten im Nanobereich anrühren.“
Die Story werde ich bis nach Paris dennoch gerne verfolgen und die sprachliche Bilderflut voller Überraschungen auf mich wirken lassen. Ob mich am Ende auch die Geschichte überrascht?Sorry: Abkürzung statt Ankürzung!
So. Die ersten 74 Seiten sind gelesen. Dich zuerst zum Cover: Es spricht mich an. In einer Buchhandlung hätte ich wohl den Klappentext gelesen. Das Thema spricht mich an. Der Hinweis auf die Autorin als „Wunderkind“ stimmt mich eher skeptisch. Für Lebenserfahrungen gibt es keine Ankürzung!
Stilistisch und vom Lektorat her stören mich sprachliche Unstimmigkeiten: „… hängen sie aufeinander …“ (S. 41); „… taucht plötzlich ein Cajón auf …“ (S. 68).
Die Geschichte jedoch macht mich neugierig. Der öde Klinikalltag, dem dann doch mit mannigfachen Beziehungen und Struktur viel Positives anhaftet, ist nachvollziehbar. Das Geschenk der Grossmutter - das eigene, selber zu schreibende „Lexikon“ - ist eine tolle Idee und wird im Vorspann zu den einzelnen Kapiteln auf intelligente Weise aufgenommen. Die seltsamen abendlichen Telefonanrufe, die bei aller Entwicklung noch immer verwirrend unklar bleiben, machen mich neugierig. Einzig die Doppelung mit dem Graffito am Rondell, das dem Buch den Titel gegeben hat, hätten der Zufall und die Entwicklung des Erzählfadens nicht nötig gehabt.Auch ich freue mich, wieder in einer Leserunde dabei sein zu dürfen. Bin gespannt auf das Buch und den Austausch darüber …
Etwas Krimi, etwas verrückte Liebesgeschichte, etwas Berührung mit der Welt der Kunst, etwas Eiblick in das Leben eines ewigen Studenten, etwas Familie mit einem unreifen Mann. Und insgesamt eine Geschichte, die weder sprachlich, noch von ihrem Duktus her überzeugt. Zwar sind gute Ansätze zu erkennen und wäre genügend Stoff vorhanden, um daraus eine spannende, ja atemberaubende Handlung zu entwickeln. Aber alles bleibt unfertig, mit unnötigen Längen erzählt und mit einem Schluss, der wie bei einem Filmriss den Zuschauer bzw. die Leserin ziemlich abrupt und mit einem wenig überzeugenden, bloss angetönten Beinahe-Happy End hängen lässt.
Gelesen haben muss man dieses Buch gewiss nicht. Aber wer sich von den vielen „Etwas“ inspirieren lassen will, nimmt es an einem verregneten Wochenende zur Hand, liest darin und verknüpft die einzelnen Fäden zu einer eigenen Geschichte, die dann auch nicht in Zürich oder im Glarnerland oder in Nizza zu spielen hat, sondern wo immer die eigene Fantasie hinführt.Was wohl das Schweigen bzw. das Ausbleiben von Beiträgen bedeuten mag? Heute darf man wohl feststellen, dass die unerwartete Wendung kommt, Andy in seiner eigenen Welt einer fanatischen, enttäuschten Liebe versinkt und seine Umwelt (inklusive Ludmilla, wie man/frau vermuten darf) sich weiterhin um ihn dreht und ihm - und seiner Frau samt Kindern - am Ende mit der finanziellen Sturzflut und den wieder zusammengeschobenen Betten beinahe ein Happy End beschert. Besser wird für mich die Geschichte durch all das nicht. Vor mir taucht ein kindlich-naives Weltbild auf: Andy der Mittelpunkt. Wie eine Monade. Alle anderen mögen zwar „ihr Ding treiben“, wirken aber wie Marionetten, die ihm das Leben zum unverhofften Abenteuer machen, indem sie ihm letztlich alle zudienen müssen. Wäre vielleicht spannend, das Männerbild und das Frauenbild, das in diesem Buch zum Tragen kommt, etwas genauer zu analysieren …
Also ich gehöre ja zu jenen, die ein mal begonnenes Buch beinahe immer bis zu Ende lesen. Weshalb ich jetzt darauf komme? Was die fehlende Erzähl- und Formulierungskunst des Autors betrifft, wäre dieser Umstand Grund genug, die Lektüre abzubrechen. Beim umständlichen Weg nach Nizza könnten mit Leichtigkeit noch ein paar Wendungen mehr eingebaut werden, die es für die Geschichte gar nicht braucht. Manches ist künstlich in die Länge gezogen und zwar teilweise in einer Sprache, die mich an Aufsätze in der Schule nach einem Ausflug erinnert. Banal. Die eigentliche Geschichte lässt mich dennoch neugierig bleiben. Wo führt das alles noch hin? Und kehrt Spinoza zurück oder war es das schon? Um Spinoza und seine philosophiegeschichtliche Bedeutung täte es mir leid …
Spinoza war mir aus der Philosophiegeschichte bekannt. Die intellektuellen Einschübe kontrastieren zunächst mit der etwas gar simplen Lebenssicht des ewigen Studenten Andy. Mehr und mehr interpretieren sich philosophische Schnipsel und Andys Leben/Erleben gegenseitig. Bin gespannt, wie sich das bis zum Ende durchhalten lässt und ob sich daraus für die Lektüre ein „Mehrwert“ ergibt.
Habe etwa die Hälfte des für die erste Runde vorgeschlagenen Stoffs gelesen. Die Sprache, es wurde schon mal über sie geschrieben, ist auffällig. Auf gewisse Weise minimalistisch. Manchmal dünkt sie mich etwas spröde. Ein Detail: Sagt jemand beim Blick in den Spiegel, er habe „Ein durchschnittliches Gesicht“ (S. 25)? Sagt man so was tatsächlich über sich selber, derart nüchtern, distanziert?
Hallo zusammen! Dann melde ich mich jetzt auch noch in diesem Lesekreis. Ich bin schon neugierig auf die Lektüre und unseren Austausch darüber!
Das Gewicht der Worte von Pascal Mercier
Eine Liebeserklärung an die Sprache(n) und die Suche nach Ausdruck für das Widerständige und das unaussprechlich Schöne und Traurige, deshalb nicht zuletzt auch für die Liebe und das Geheimnis des eigenen Wesens.