Seltsame Bilder von Uketsu
Be-Li

- vor 9 Tagen
- Beitritt 11. Apr 2023
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Ich könnte es nicht besser beschreiben als dieses Sprichwort: Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.
Zusammenfassend: Wunderbar, verwirrend, unbedingt zu empfehlen und doch würde ich nicht mit Begeisterung zum nächsten Buch dieser Autorin greifen.
Die Sprache hat mich ¨überwältigt, unbestritten ist Dorieann Ni Ghriofa eine Meisterin ihres Faches. Sehr gut konnte ich nachspüren, wie es ist, im Muttersein aufzugehen und doch nicht ganz in diesem kleinen Kosmos zu versinken, mittels intensiver Beschäftigung mit einem herausfordernden und spannenden Thema.
Die Texte zum Klagelied haben mich verwirrt, da die Autorin verschiedene Erzählformen, bzw. Blickwinkel oder Fakten so zusammengestellt hat, dass mir dieser Teil zu unausgewogen vorkam und ich keinen Zugang zum Gedicht fand.
Was mir besonders fehlte: Ich konnte keine Verbindung zur Autorin aufbauen. Wie gesagt, die Beschreibungen ihres Lebens sind brillant, doch unpersönlich und kühl. Dadurch fehlt m.E. etwas Massgebendes für einen “weiblichen Text”. Wer ist diese Frau? Sie bleibt mir fremd, ich brauche etwas, was mein Herz berührt und mir das Gefühl gibt, zu einer besonderen Person (was sie zweifellos sein muss, wenn sie solche Texte schreiben kann!) zurückzukehren, damit ich zu ihrem nächsten Buch greife.
Der Einstieg in dieses Buch war schwierig. Ein weiblicher Text und darüber wie viel sich verändert hat und wie wenig? Eine Klageschrift einer Frau, die sich über die Vorherrschaft der Männer und die fehlenden Chancen beklagt? Nicht gerade das, was ich gerne lese. Doch: So gehen Vorurteile.
Und dann bin ich eingetaucht in die Welt Doireann Ni Ghriofa mit ihren Kindern, ihrer Arbeit als Frau und Mutter mit den abzuarbeitenden Listen und dem Drama der Geburt des vierten Kindes und alledem, was eine Frau gibt, was sie gerne gibt. Aus ihr heraus, das Kind, die vielen Flaschen Milch, die Sorge, das Behüten, die Kraft und Energie für andere und anderes.
Doch holla, da ist auch das Gedicht und der von ihm ausgehende Sog, hinab und hindurch zu einem anderen Leben, das längst vergangen ist. Mit einer mächtigen Intensität zerrt es Doireann durch Raum und Zeit und mich mit, zu Orten, die ihre Hände zittern lassen, zu einer Frau, die (so vermute ich bis zu diesem Punkt im Buch, zudem kenne ich das Gedicht nicht) voller Leidenschaft für das Leben und die Liebe ist. So lasse ich mich mitnehmen zu diesen kurzen Zeitfenstern im Leben von Doreann, in denen sie aus dem Vollen schöpft. Textabschnitte, die eine Kraft haben wie ein Bild von Van Gogh, das einem den Boden unter den Füssen weg zieht, wenn man es im Original sieht. Doireann zeichnet mit in ihren Beschreibungen, wie vom Ausflug zum Kloster und an den Strand unglaubliche Bilder, die mir Tränen in die Augen treiben und mir Herzklopfen machen, weil ich so haltlos dabei sein darf. Wow.