Ich habe die letzten zwei Wochen damit zugebracht, “Schuld und Sühne” von Fjodor Dostojewski zu lesen. Ich bin froh, es endlich geschafft zu haben, etwas von ihm zu lesen, da es schon lange auf meiner To-do-Liste war (und es wird sicherlich nicht das letzte sein, ich habe bereits “Die Brüder Karamasow” im Visier.) Ich habe mich für “Schuld und Sühne” entschieden, weil ich gehört hatte, es sei ein fantastisches und wichtiges Werk der Weltliteratur. Meine Erwartungen waren dementsprechend riesig, ich hoffte, dass der Roman mich vom Stuhl reissen würde. Dort liegt auch mein Fehler. Dass es ein grosses Werk ist, ist unbestritten. An Intelligenz, Tiefsinnigkeit und Schönheit ist es schwer zu überbieten. Mit seiner Art zu Erzählen entführt Dostojewski einen geradezu in die Geschichte, die Schauplätze und die Figuren sind wundervoll beschrieben. Und auch das, was im Kopf Roskolnikows, der Hauptfigur, vorgeht. Langweilig wird es nur stellenweise, das Buch lässt sich gut lesen, es ist nicht zu schwierig, aber auch keine Unterforderung. Irgendwann aber wendete sich für mich das Blatt, und zwar ab dem Moment, wo Roskolnikow zum ersten Mal auf Swidrigailow trifft. Ich mag diesen Bösewicht nicht und erachte ihn als komplett obsolet. Von hier aus war das Lesen kein Genuss mehr, ich mochte den ganzen Rest nicht annähernd so sehr wie die ersten beiden Drittel, die ich nur so verschlungen habe. Ich bin im Zwiespalt: Ich bin begeistert vom Roman, aber auch enttäuscht. Es fällt mir schwer, mein Empfinden dem Roman gegenüber irgendwo einzuordnen. Habe ich womöglich etwas bezüglich Swidrigailows Figur nicht verstanden? Ist er wichtiger, als er mir vorgekommen ist?
Dostojewski hinterlässt mich im Zwiespalt
ilirpinto Das kann ich gut verstehen! Ich habe die Brüder Karamasow gelesen. Als grosser Marilyn Monroe Fan wollte ich gerne wissen, warum sie die Kruschenka spielen wollte. Ich weiss auch nicht aber die russischen Autoren frustrieren mich fast immer. Anna Karenina hat mich richtig sauer gemacht. Ich hatte gedacht, dass ist jetzt ne super Frau der alle Männer verfallen und dann wird die ganze Zeit über ihrer kleinen Füsse geredet und sie ist nur schwach und unsicher… Also ich werde es sicher weiter versuchen, aber ich könnte jetzt nicht mehrere russische Autoren nach einander lesen. Viele Grüsse
[ehemaliger Benutzer]
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ilirpinto Unsere Lesegewohnheiten haben sich verändert. Das wird an deinem Leseerlebnis deutlich. Du fandest das Buch offenbar nur so lange gut, als es nicht langweilig wurde. Aber das Böse ist zentral bei Dostojewski. Man muss lernen, den Überdruss, der sich dabei einstellt, auszuhalten. Das Lesen ist eben auch eine philosophische Erfahrung und nicht einfach nur reisserischer Genuss. Einer Figur wie Swidrigailow wirst du in deinem ganzen Leben wohl nicht begegnen. Diese einmalige Erfahrung kannst du in “Schuld und Sühne” machen.
ilirpinto Mittlerweile hat sich meine Einstellung gegenüber “Schuld und Sühne” geändert. Ich würde das Buch sogar noch einmal lesen - irgendwann. Gestern habe ich “Der Spieler” fertiggelesen. Dieses mochte ich aber gar nicht…