Fanny Hat euch das Ende des Romans überrascht? Wie gefällt euch der Abschluss von Michaels Geschichte?
Ehrlich gesagt, überrascht hat mich das Ende nicht. Persönlich wäre ich auch offen für ein Ende mit einem versuchten oder tatsächlichen Suizid gewesen, sofern gut gemacht. Das Ende, so wie es war, war mir tatsächlich etwas zu… romantisiert? Es wird ein wenig suggeriert, dass mit “ein bisschen Liebe alles von heute auf morgen überwunden” werden kann. (Das ist natürlich jetzt überspitzt formuliert, das Ende hat bei mir aber tatsächlich einen Beigeschmack in diese Richtung hinterlassen.) Nirgends wird erwähnt, dass Michael sich nun therapeutische Hilfe sucht oder etwas grundlegendes in seinem Leben zu verändern versucht (oder ich habe es überlesen?). In der Realität hingegen kann man Depressionen und Suizidgedanken selten alleine dadurch besiegen, dass man “realisiert, dass das Leben schön ist”, sondern es braucht therapeutische Massnahmen oder Medikation… Diese Perspektive hat mir beim Ende gefehlt. Trotzdem ist es natürlich toll, hat Michael sich am Ende für das Leben entschieden und seinen Plan aufgegeben. So endet das Buch mit Hoffnung und einem Neuanfang, den ich mir für Michael gewünscht habe.
Fanny War Michaels Beziehung zu Belle ähnlich wie diejenige, die er erst mit Sara hatte? Weshalb denkt ihr, hat er dieses Verhalten während der Reise wiederholt?
Ich finde nicht wirklich, dass die Beziehungen ähnlich waren. Zum einen war die Verbindung mit Sarah sehr viel kürzer, aber ich glaube auch, dass Michael und Belle durch ihre Vergangenheit und ihre Gefühle verbunden waren. Auch Belle hat Dinge erlebt und befindet sich in einer nicht optimalen Lebenssituation. Die beiden scheinen sich zu verstehen und sich mehr ineinander hineinversetzen zu können, als irgendein anderer Mensch, den Michael getroffen hat. Um Belle hat Michael dann ja auch gekämpft, Sarah hatte er noch weggestossen…
Obwohl ich mir Belle als Bezugsperson und Partnerin für Michael hätte vorstellen können, wenn jemand nicht bereit ist, eine Bindung einzugehen, dann kann man siei*ihn - offensichtlich - auch nicht dazu zwingen. Was für eine selbstlose Geste von Michael, ihr trotz ihrer Zurückweisung sein Geld zu geben!
Fanny Welche Gefühle hinterlässt der Roman bei euch? Gibt es Themen, die auch nach dem Ende der Lektüre noch länger bei euch nachhallen werden?
Aus dem Roman mitnehmen werde ich, dass man - natürlich im entsprechenden Kontext! - nicht aufhören sollte, Menschen zu Dingen einzuladen, auch wenn sie absagen. Es zeigt jemandem, dass man sich für sie*ihn interessiert, und diese scheinbar kleine Geste kann für einen Menschen viel bedeutetn - und wer weiss, vielleicht wird eine Einladung eines Tages angenommen? Auf jeden Fall steht damit einer Person eine Türe offen, die vielleicht mal einen wichtigen Unterschied machen kann.
Ganz allgemein sollten wir mit offenen Augen und vor allem Ohren durch das Leben gehen, und auf unsere Mitmenschen achten und nachsichtiger sein, schliesslich weiss man nie, mit welchen Dämonen jemand vielleicht gerade kämpft. Damit schliesse ich mich all denjenigen an, die das bereits vor mir geschrieben haben.
anna8393 Es geht hier meiner Meinung nach um das Männlichkeitsbild. Michael hofft, dass er doch noch gerettet wird und zwar von einer Frau.
Das ist ein äusserst spannender Gedanke, der mir beim Lesen so gar nicht gekommen ist, aber worüber nachzudenken sich sicher lohnt. Besonders im Gesamtkontext, dass die Suizidrate bei Männern ja höher ist als bei Frauen, auch weil sie sich weniger häufig anderen Menschen anvertrauen und “Schwäche” weniger offen zeigen, was auf Michael ja auch zutrifft.