Mein März Buch wurde mir vor knapp 10 Jahren durch eine tolle Frau überreicht, mit der ich kurze Zeit zusammenarbeiten durfte. Sie selbst, eine Vielleserin, hat eine sehr wertschätzende Taktik, ihrem Bücherberg an gelesenen Werken entgegenzuwirken, immer wenn sie als Springerin wieder an einen anderen Arbeitsort weiterzieht, überreicht sie zum Abschied jedem Mitarbeiter ein Buch, das ihrer Meinung nach gut zu diesem Menschen passt. Ich erhielt von ihr “Erzählenhören, Frauenleben in Graubünden”, 1998 im Octopus Verlag erschienen (Ich fand dieses Buch weder bei Orellfüssli noch sonst irgendwo im Netz). Das Buch entstand durch ein Projekt, bei dem sich Frauen mit dem Leben von Frauen aus der Generation ihrer Mütter auseinandersetzten, mit dem Gedanken, dass sich Frauen zu wenig öffentlich äussern, dass ihre Lebensart und Weltanschauung zu wenig in die Geschichtsschreibung einfliessen. In diesem vielfältigen Zeugnis wurden 20 Frauen aus Graubünden, mit unterschiedlichem kulturellem und sozialen Hintergrund zu ihrer subjektiven Wahrnehmung der Vergangenheit und ihrer Rolle als Frau darin interviewt. Alle Frauen hatten den 2. Weltkrieg erlebt und jede Frau wurde durch eine andere Frau während 6 Jahren immer wieder befragt und auf etlichen Tonbandaufnahmen festgehalten. Alle Frauen setzten den Schwerpunkt bei dem, was sie erzählten selbst. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet als Zeitzeugnis in der Frauenforschung.
Heute werde ich wohl auch noch die letzte Geschichte einer Frau lesen. Was mich an den Schilderungen wohl am stärksten beeindruckt hat, ist, wie viel diese Frauen geleistet und ausgehalten haben und ihre dem Manne untergeordnete Rolle auch kaum anzweifelten oder ihm gegenüber erwähnten, wenn sie über etwas ganz anderer Meinung waren, es war halt so und wurde so gemacht wie der Mann und auch die Gesellschaft es wollte. Zu einer Zeit, in der man das Wasser zum Wäschewaschen noch selber vom Brunnen holen musste, vom Rest ganz zu schweigen, war es üblich Mutter, Hausfrau, Mitarbeiterin, Köchin, Gastgeberin und oft auch noch Dazuverdienerin zu sein. Selbstverständlich war auch die Arbeit der Ehemänner beschwerlich, doch vielen fiel es nicht mal ein, dass sie nebst dem etwas zur Familie beitragen könnten/sollten, im Gegenteil, es wäre sogar seltsam gewesen. Selbstverwirklichung wurde meist hinter allem angestellt und eine Minderwertigkeit allein durch die Geschlechtsteile akzeptiert und auch so an die nächste Generation weitergegeben. Während mir bei einzelnen Schilderungen der Tagesablauf der Frauen schon sehr eintönig vorkam, bei den Männern scheint es mir noch weniger Abwechslung gegeben zu haben, auch sie beklagten sich nicht, es war halt so, man kannte es nicht anders.