Ni-Na Die Heimat bzw. “das Alte, Bewährte” wird immer verklärt. Auch mir fiel auf, dass Aida “ihren” Kulturschock erwähnte. Ich glaube, sie hätte, wäre sie als Teenager in die Schweiz gekommen, ebenso reagiert: geschockt von der Freiheit. Ich glaube, das hängt einfach damit zusammen, wie lange man im “anderen” Land gelebt hat, das einen bis heute prägt. Und wenn dazu noch Freunde kommen und eine gemeinsame Sprache, dann wirkt das demotivierend auf die Flucht oder Auswandern. Das war bei meinem Vater so, der halbherzig aus der Tschechei floh1968, aber nur, weil meine Mutter, eine Deutschstämmige, sich das Kind, mich, nahm und floh, weil er ja nicht wollte. Auf mich wirkte das Jahre später (nach 1989) auch als eine Art Kulturschock, weil ich die Schweiz als Heimat in mich aufsog. Aber als “kalt” hätte ich das für mich nie bezeichnet. Und “belogen” als solches wurde ich auch nie über die alte Heimat. Ich wollte eher diese “schlechten Verhältnisse” selbst erleben - sie wurden nie beschönigt, obwohl mein Vater sehr an der Heimat hing, am Freundes- und Kundenkreis, das Drumherum einfach ausklammerte, sich wohl bewusst, nur als Mitläufer oder Unpolitischer sein Leben führen zu können. Aber von der Mentalität her überwand er sich, Deutsch on-the-job zu lernen, und wurde dann oft als Bündner angesehen. Meine Mutter war die Realistin; also wusste ich, womit ich beim 1.Besuch “zuhause” in etwa zu rechnen hatte. Solche elterlichen Vorbilder oder Instruktionen fehlen Aida.
Bei Aida liegt das Problem der “Sprachlosigkeit” in der Familie liegt: sie fühlen sich kulturell und sprachlich fremd. Was sie zusammenhält, ist die Hoffnung, wieder dorthin zurückzugehen, wo sie nicht als “fremd” wahrgenommen werden, obwohl einzig die Sprache die Barriere oder der Türöffner ist. Im Irak unter und nach Saddam war gerade die Sprache ja die Krux: ein falsches Wort, und du landetest in irgendeinem Verlies. Das checkte selbst der gelehrte Vater nicht, sonst hätte er der Zukunft seiner Kinder halber durchgehalten oder aber in der kleinen Familie darüber diskutiert. Warum die Familie überhaupt geflohen ist? Wenn ich von mir ausgehe, dann wäre es bei uns 2:1 gestanden: Vater wäre allein zurückgekehrt, Mutter und ich wären geblieben. Und dennoch hätte er allein nicht den Mut gehabt. Hängt also mit der Mentalität und dem Kulturkreis zusammen; anders kann ich’s nciht beschreiben.