Ich dachte zuerst auch, es findet nun ein Perspektiven Wechsel statt und Jonas würde aus seiner Sicht erzählen. Aufgefallen ist mir, dass die Schriftstellerin im Jonas Buch die Rückblenden einmal in der Vergangenheitsform schrieb und dann wieder im Präsens. Ich habe die Logik noch nicht gefunden, müsste die Texte alle noch einmal durchgehen. Aber die paar Abschnitte die ich mir angeschaut und verglichen habe, zeigen ein interessantes Bild auf. Meistens wurden die Jonas-Erlebnisse und schönen Erinnerungen in der Vergangenheit geschrieben und die Missbrauch-Szenen und Conrad-Beschreibungen im Präsens – ein Kunstgriff, der mir sehr gefällt, es zeigt auf, dass Elle die Geschichte mit Conrad immer noch mit sich herumträgt und nicht ad acta legen kann.
Auch hat mich fasziniert wie die Schriftstellerin Conrad formte. Ich fand ihn total abstossend. Generell nehmen mich Missbrauch-Geschichten immer total mit und ich konnte nie auch nur ein bisschen Mitgefühl für den Täter aufbringen. Bei diesem Buch war es anders, die Schriftstellerin verstand es eine empfindsame psychologische Sicht auf Conrad zu zeigen. Er war vom Leben auch sehr gebeutelt, von allen Seiten verstossen und suchte nach Liebe. Elle mit ihrer empathischen Seite hat im die Tür geöffnet. Er konnte aber seine Suche nach Liebe nicht auf eine gesunde Art ausleben. Trotz diesem Blickwinkel verstand es die Autorin auch zu zeigen, dass diese Übergriffe in keinster Weise gut geheissen werden konnten. Und Conrads Tod hat mich aufatmen lassen.
Spannend fand ich auch, dass eine der letzten Szene im Elle Buch die Verfolgungsjagd des abstossenden Jungen war. Ich habe mich dort noch gefragt, weshalb kommt diese Szene vor? Aber es war wahrscheinlich bereits eine Überleitung in das Thema Missbrauch.
Und ja die Mutter… Sie ist eine interessante Figur. Sehr schillernd, extrovertiert auch als ältere Dame. Sie hat das Erbe ihrer Mutter mitgenommen, dass sie als Frau ohne Mann nicht überleben kann. Sicherlich auch ein Aspekt der Zeit, damals waren die Frauen an die Männer gebunden. Sie scheint mir sehr gefühlskalt den Mädchen gegenüber zBsp. dass sie ihre Tochter Anna nicht ins Internat begleitet hat, dafür Conrad vom Bahnhof abgeholt – heftig und prägend. Aber sie hat die Wärme und den Beistand auch von ihrer Mutter nie bekommen. Aus ihrer Sicht sind die Frauen minderwertiger als Männer und dies haben die Mädchen bestimmt schon früh gespürt. Auch die Vertrauensbasis zwischen Mutter-Tochter fehlte gänzlich, sonst hätte sich Elle bestimmt ihrer Mutter anvertraut. Der Mutter war die äussere Erscheinung wichtiger als das Innenleben, bei sich selbst und auch bei ihren Mädchen. Als ältere Dame immer noch elegant und den Schein wahrend, gegenüber Peter kokett und gegenüber Elle nörgelnd (was die Erziehung der Kinder betrifft). Aber sie wurde mit dem Alter weich gezeichnet und lebte erstaunlicherweise ohne Mann.
Betreffend Zeitplan, passt für mich. Habe das Buch bereits fertig verschlungen.😊