pti-marmotte Sali PTI-Marmotte
Ich staune darüber, dass einige von Euch, auch Du, Halbsieben als Kinderersatz betrachtet. Ich sehe das gar nicht so. Als Calvin einen Hund vorschlägt, war das ein völliger “Notausgang”: ganz sicherer wollte er nicht “Hund” sagen. Ich denke, dass er “Kind” wollte. Da ihm aber klar wurde, wie vehement Elizabeth die Idee an Familie und ein Kind vor allem ablehnte, rettete sich Calvin quasi auf den “Hund” als “sicheres Terrain”.
Halbsieben als “nicht ganz unschuldig” an Calvins Todm einzustufen, scheint mir ziemlich ungerechtfertigt. Halbsieben war in Panik wegen der Knallerei und wollte nur fort von dem gefährlichen Ort. Das ist eine geradezu typische Situation, in der der Mensch die Entscheidung über Tun und Lassen an sich reisst, weil er genau dann nicht die Signale des nichtmenschlichen Lebewesens falsch interpretiert. Ich würde sagen, dass Cavin, wenn er dem Zug an der Leine nachgegeben hätte, wahrscheinlich eine Überlebenschance gehabt hätte. Ich weiss aus langer Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn (vor allem ein sehr grosser, starker) Hund an der Leine kämpft. Es gibt 2 Optionen für den Hundeführer, wenn er sich die Hundeleine ums Handgelenk gewickelt hat wie Calvin (!!!) - dagegen halten, was auch auf rutschigem Boden zum Sturz führen kann oder sich fortreissen lassen. Nie, nie darf man eine Hundeleine um das Handgelenk oder die Finger wickeln - das kann im Ernstfall zu gebrochenen Gelenken führen. Hätte Calvin die Leine wie einen Pferdezuügel gehalten, so hätte er - in einer dritten Option - loslassen können. So weit zu Hundetechnik.
Für mich steht aber die Hundeleine stellvertretend für eine gesetzliche Bindung wie die Ehe. Etwas, was Elizabeth zutiefst ablehnt, weil sie als Kind erleben musste, wie eine Familie zerstören kann. Und weil sie ablehnt, dass andere Menschen ihre Beziehung zu Calvin ablehnen. Wobei die Bindung zwischen Elizabeth und Calvin viel stärker als eine offiziell begleubigte Ehe ist - basierend auf der stärksten Element der Bindung: der Freiheit. Dieses Bild zeichnet Garmus auch in der Beziehung zu Halbsieben: die Leine ist ein behördlich verordnetes Bindemittel, eine Fessel. Aber Halbsieben hat sich in der Gasse Elizabeth aus freiem Willem angeschlossen, nicht weil sie ihn gerufen hatte.
Seite 111 Elizabeth hatte nie zuvor ein Haustier gehabt und war nicht mal sicher, ob sie jetzt eins hatte. Halbsieben war ein Hund, schien aber eine grössere Menschlichkeit zu besitzen als die meisten Menschen, denen sie in ihrem Leben begegnet war.
Deshalb kaufte sie keine Leine für ihn - es kam ihr falsch vor. Sogar beleidigend.
Dann kommt der Anachronismus: Elizabteh kauft eine Leine wegen der städtischen Vorschrift und vielleicht unbewusst wegen ihrer Angst, da sie nun weiss, dass Halbsieben panische Angst vor knallenden Feuerwerkskörper hat. Es könnte ihm also etwas passieren. Was sie unbedingt verhindern will.
Sie braucht die Leine zuerst nicht und spricht dann Calvin darauf an und er sagt:
Ich kann mit Leine nicht laufen. ..Ich würde mich regelrecht angebunden fühlen. Ausserdem bleibt er immer ganz dicht bei mir.
Ist Euch eigentlich aufgefallen, wie sehr Elizabeth durch und durch Wissenschaftlerin ist - wenn sie kocht, dann denkt sie in chemischen Schritten (Beispiel S. 79). Und das Rudern begreift sie erst, als sie in einem Physiklehrbuch … die Feinheiten des Ruderns in Fiorm von komplizierten Algorithmen begriff. ’Meine Güte sagte sie und lehnte sich zurück. ‘Rudern ist gar nicht so schwer.’
Ich kann das sehr gut nachvollziehen - Reiten ist ebenfalls eine Frage von Algorithmen, Wirkung von Vektoren, kinetischer Energie, Gleichgewicht, Ausrichtung. Einerseits. Andererseits verlangt es das totale Einfühlungsvermögen in den Partner Pferd. Und hier beim Rudern in die anderen Partner des Ruderteams.
Dennoch ist jeder ganz eigenständig - die Grundessenz in Elizabeths Charakter.