Von der Bibliothek habe ich mir die Hörbuchversion ‘Das Volk der Bäume geliehen’ - Das Leben von Norton Perina, der Grossartiges leistete und dafür in den 70ern den Nobelpreis der erhielt - ~20 Jahre darauf wird er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt und hinter Gitter gesteckt.
Die Frage über allem (Zitat): Wenn ein grosser Mann Schreckliches tut, ist er dann noch immer ein grosser Mann? -und- Wie betrachten wir eine Lebensleistung, wenn sich das Genie als Monster entpuppt?
Diese Fragen brennen auch mir unter den Nägeln, ich bin gespannt auf die 3 CD’s (1075 Minuten!!!) - …und scheitere kläglich…
Zunächst wird der Freund Dr. Ronald Kubodera aufs Lese-Parkett gebracht, er umschreibt das wichtigste des Lebens von Perina, sowie seine Freundschaft und wissenschaftliche Zusammenarbeit - ja, DAS ist wirkliche Freundschaft, wenn einer seinen Freund nicht fallen klässt, auch wenn dieser (schrecklich) fällt. - Doch wie sich dann Kubodera für seinen Freund im Gefängnis einsetzt, finde ich mehr als fragwürdig. Die Geschworenen, die den hochdotierten Wissenschaftler letztendlich für schuldig erklären, werden als Stümper hingestellt, da sie nicht in der Lage sind, seine wissenschaftliche Leistung und Grösse zu honorieren. 43 Kinder hat Perina von Ivu’ivu über die Jahre adopiert und diese wenden sich nun allesamt ab, obohl sie von ihm eine bessere Zukunft bekamen, als es ihnen in Mikronesien möglich gewesen wäre - Kubodera findet dies unerträglich. Er schlägt Pereina nach seiner Verurteilung vor, seine Memoiren zu schreiben, die er (K.) redigieren und herausgeben werde. Ihm geht es um die Rehabilitation des Wissenschaftlers - losgelöst von seinen Untaten - die (so scheint es mir) ein ‘kleiner Betriebsunfall’ waren… und nun das grossartige Leben ungerechterweise (!) in Misskredit und Verruf bringen.
Schon diese Ausgangslage machte mich wütend - ich fand es abstossend, Opfer von Missbrauch -dazu noch wehrlose Kinder- quasi zu verunglimpfen. Trotzdem fing ich an, die erste CD zu hören. Ausufernd die ersten Kapitel über die Mutter - langfädig - , störend die ewigen ‘Fussnoten’ dazwischen… - ich spulte vorwärts. Zu viel ‘Selbstherrlichkeit’ fand ich… Nein, das werde ich mir nicht antun, denke ich - und springe zum Nachwort der dritten CD. Dort höre ich noch (verstörter) den ‘Nachtrag’ - sozusagen mit dem uneinsichtigen Geständnis, dass er (Perina) den Opfern doch ‘alles’ gab - seine ganze Liebe.
Ich war schlichtweg entsetzt - dass man einem Menschen, der durchaus (was zu respektieren ist) Grosses und Bleibendes in der Wissenschaft/Medizin leistete, so grossen Raum zur Selbstdarstellung bot - während die Opfer kaum über eine Randnotiz hinaus kamen (wenn man die Minuten betrachtet, die für beide ‘Teile’ aufgewendet wurden).
Was ist an der Geschichte dran?! Kubodera wird als Herausgeber genannt - Autorin ist jedoch ‘Hanya Yanagihara’ - wie geht das zusammen?! - Nun habe ich recherchiert und fand unten stehenden Artikel in der Wiener Zeitung:
Norton Perina/ Das Volk der Bäume
Natürlich erscheint nun, da klar ist, was hier im Roman Fakt ist und was nicht, das ganze in einem anderen Licht. ABER: Ich frage mich, müsste das nicht ‘besser deklariert’ werden?! - Darf man bei einem so heiklen Thema die LeserInnen ‘hinters’ Licht führen?! - …und dann doch alles offen lassen?! - Zu einer eigentlichen Diskussion kommt es ja eben nicht - und der ‘Überhang’ ist und bleibt bei Perina/Gajdusek…
Wie seht ihr das? - Hat jemand das ganze Buch gelesen/gehört - und ist vielleicht zu einem anderen Schluss gekommen?! Es würde mich interessieren.
Wie steht ihr zu Büchern, bei denen (wie in diesem Falle) nötiges Hintergrundwissen fehlt, nicht geboten wird und eigenhändig recherchiert werden muss?
Liebe Grüsse Schoma