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Wasserfall

  • 11. Nov 2024
  • Beitritt 13. Okt 2024
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  • 821 Punkte
  • Martin R. Dean macht sich in seinem in drei Teile eingeteilten Buch auf die Spurensuche seiner Wurzeln/Familiengeschichte seines aus Trinidad stammenden Vaters und seiner Schweizer Mutter und deren Familien. Im ersten Teil stützt sich der Autor auf Berichte und Fotos seiner Mutter ab, stolpernd, suchend, hin- und herhüpfend, einsam, bedrückend. Der zweite Teil zeigt sich mehr in Form einer historischen Recherche und Familiensuche in Trinidad. Im dritten Teil stehen Erinnerungen an Familienmitglieder und Dorf im Vordergrund. Es ist möglich, dass der Autor bewusst verschiedene Herangehensweisen bezüglich Text in den verschiedenen Abschnitten wählte: Der erste Abschnitt wenig bearbeitet, emotional, der zweite recherchierend, der dritte autobiografisch, gestützt auf eigene Erinnerungen, welche zuverlässiger als die Fragmente der mütterlichen Aussagen sind.

    Für den Schweizerischen Buchpreis erscheint mir das Buch zu sprunghaft und teilweise verstörend, aufwühlend. Die vielen Wiederholungen von Erlebnissen, Vermutungen, Interpretationen liessen mich öfters gedanklich abschweifen.

  • Für mich war der dritte Teil des Buches am einfachsten zu lesen. Erinnerungen an die Kindheit- obwohl teilweise schon früher erwähnt in Schilderungen- waren für mich fassbarer, konkreter, weniger interpretierend als die ersten zwei Teile. Aus meiner Sicht trägt der Autor, falls die Geschichte wirklich autobiographisch geschrieben ist, deutliche Narben seiner Geschichte mit sich herum, was auch absolut nachvollziehbar ist: eine tiefe Grundunsicherheit/ Bindungsstörung, die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, die Unfähigkeit, sich für sich einzusetzen (z.B. sich ausdrücken beim Sterben seiner Grossmutter, Erbe)…Was mir am Ende des Buches ins Auge gesprungen ist, ist die Aussage des Autors: “Ich hätte meine Mutter gerne angerufen, um ihr zu sagen, dass ich empört bin. Aber das hätte keinen Sinn. Es ist besser, alles loszulassen. Da soll meine Art zu trauern sein.” Er kämpft nicht für sein Recht, seine Position, sein Erbanteil. Seine Vorstelllung, was anders hätte sein können in seinem Leben, loszulassen, in seine Biografie zu integrieren, könnte für ihn ein Weg zur Akzeptanz seiner Geschichte werden.

  • Soeben habe ich das zweite Mal den Teil 2 durchgelesen. Mir erscheint der Besuch der Verwandten väterlicherseits lebendiger, herzlicher, bunter beschrieben, wohingegen mich der Besuch bei der Familie mütterlicherseits gedanklich eher abschweifen liess. Auf Seite 92 wird Budri als Onkel, anstelle als Grossvater beschrieben- für mich ein Schnitzer. Die Suche des Autors nach seinen Wurzeln, Ähnlichkeiten mit Verwandten scheinen für den Autoren sehr wichtig zu sein- weiterhin ist sein dringliches Gefühl nach Zugehörigkeit, Identität, Halt stark spürbar.

    Mir gefällt der Satz über die Länge der Ehe des Ehepaars Lee und Clive: Sie bringen etwas zu Ende, würdevoll und unerschütterlich… Es berührt mich, wenn zwei Menschen schon so lange miteinander ihr Leben teilen und noch diese Verbundenheit vorhanden ist. Es ist ein Kontrast zur kurzen Beziehung zwischen Ralph und der Mutter des Autors…

  • Mich hat der erste Teil dieses Buches bedrückt: Die Mischung aus Bindungslosigkeit zu beiden Elternteilen, wenig Zuneigung, Wertschätzung und über all diesen wichtigen Themen die undurchdringliche Decke des Schweigens, die beim Erzähler verständlicherweise viel Ohnmacht auslöst. Er sucht sich die Splitter seiner Herkunft zusammen und interpretiert , vermutet- eine fragmentartige Spurensuche nach Identität und Zugehörigkeit. Teilweise reimt sich der Erzähler eine Wunschrealität zusammen, die etwas Wärme und Geborgenheit vermitteln sollte: Die anfangs evtl. glückliche Beziehung seiner Eltern, Verständnis und Bewunderung für seine Mutter während der Zeit in Trinidad, Interpretationen der Fotos….

    Aus meiner Sicht wiederholt sich der Autor mehrfach in Beschreibungen von Erlebnissen, Situationen… was mich etwas langweilte. Trotzdem hat mich das Schicksal des Mannes auch berührt…