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Pupukea

  • 5. Nov 2024
  • Beitritt 5. Nov 2020
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  • 383 Punkte
  • Mir hat das Buch sehr gefallen. Es ist auch sehr real geschrieben (ausser Badeunfall). Auch die Beschreibung von drei Ansichten. Die Mutter hat alles für die beiden Kinder gemacht, damit sie eine gute Schulbildung machen konnten. Aus Sicht der Kinder hätten sie lieber die Mutter zu Hause gehabt, als eine sehr gute Schulbildung. Das bestätigt auch die Aussage von Manuel, weil er sich nun lieber um den Garten des Grossvaters kümmert als die Schule zu beenden.

    Das mit dem Bumerang deute ich, dass Daniela sich noch von ihrem letzten Pflegenden in Italien verabschieden muss, damit sie danach zurückkehren kann. Es wird ihr vermutlich nicht leicht fallen, da sie mit dem besseren Einkommen auch viele Vorzüge kennen gelernt hatte …

  • Ich habe das Buch von Marco Balzano sehr gerne gelesen. Mit seinem ruhigen, unaufgeregten Schreibstil schafft er eine etwas melancholische Stimmung, die sehr gut zum Thema passt.

    Für Daniela kann es meiner Meinung nach kein Happy End geben. Sie wird zerrissen bleiben und weder in Rumänien noch in Italien ihr Glück finden.

    Aber für Angelika und Manuel habe ich Hoffnung. Durch die früh erzwungene Selbständigkeit erlangten sie einen starken eigenen Willen, der ihnen helfen wird, ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben zu führen.

    Und dann ist da noch dieses recht versöhnliche, sinnbildliche Ende mit dem Bumerang. Irgendwie haben sich Mutter, Tochter und Sohn zusammengefunden. Manuel lässt die Mutter den Bumerang werfen, er fliegt davon, wendet und kommt zurück, aber die Mutter kann noch so hoch springen, sie verpasst ihn, kann ihn nicht fangen. Vielleicht war der Wurf doch etwas zu weit und zu hart geraten? Danielas Weggang nach Italien war vor allem ein zu grosser Schritt für sie selbst.

  • Care-Migration: Leben auf verschiedenen Bühnen – pure Überforderung?

    Das Buch von Balzano greift ein aktuelles Thema auf, dass sich in Zukunft mit der Überalterung einiger europäischer Staaten noch akzentuieren könnte. Pflegende arbeiten als Care-Migrantinnen in Haushalten oft unter prekären Arbeitsbedingungen aufgrund der Vermischung von Arbeits- und Wohnort. Weniger beleuchtet wird die Tatsache, dass Care-Migrantinnen Kinder und betreuungsbedürftige Eltern in ihren Herkunftsländern zurücklassen.

    Der Autor reagiert mit dieser Erzählung auf diese Tatsache und beschreibt die Auswirkungen auf das Familiensystem von Daniela, die aus einem kleinen, rumänischen Dorf stammt und zum Arbeiten nach Italien zieht. Das Buch startet aus der Perspektive ihres Sohnes Manuel, der in die Phase zwischen Kindheit und Pubertät durchläuft. Im zweiten Teil erfährt man ihre Sicht, ergänzt im letzten Teil mit der Position ihrer Tochter Angelica. Die Sicht des Familienvaters Filip fehlt. Er hat sich bald nach der ersten Fahrt von Daniela nach Italien aus dem Familiensystem ausgeklickt.

    Aus allen drei Perspektiven dringt zwischendurch emotionale Leere und Schmerz durch. Sie leben in ihrer Welt, igeln sich ein und fällen ihre eigenen Entscheidungen, die Fassade wird von den Eltern auch mit Notlügen gewahrt. Die zusätzlichen materiellen Güter für Manuel und Angelica sind kein Ausgleich für die emotionalen Verluste. Daniela fühlt sich schuldig, unklar bleibt dennoch nach schwierigen Tagen und Nächten an Manuels Krankenbett, ob sich eine andere Möglichkeit ergibt, um finanziell über die Runden zu kommen.

    Balzanos Ton wirkt melancholisch, manchmal gar etwas distanziert. Seine Formulierungen sind schlicht, an manchen Stellen geschmückt mit stimmigen Methapern. Aufgrund der Unterteilung in drei Teile mit unterschiedlichen Perspektiven, verbleibt auch die Leserin, der Leser mit einigen Leerstellen, Gedanken und Fragen zu Details. Ein Grund, dass die Geschichte haften bleibt und zum Weiterdenken anregt.

  • Der Absatz “Angelica schlürft langsam den Cappuccino, wie als Kind ihre Milch. Ich verkneife mir, sie darauf aufmerksam zu machen. Der Geist tut das automatisch, ständig vergleicht er die Gesten des Heute mit denen aus der Zeit, als ich noch eine Mutter war. ” (Seite 158)

    Vor allem der letzte Satz dieses Abschnitts hat mich getroffen. Ich bin zwar keine Mutter aber meiner Meinung nach bleibt man ein Leben lang Mutter, weshalb mich diese Aussage von Daniela bestürzt. Sieht sich nicht mehr als Mutter, weil sie ihre Kinder verlassen hat oder was ist der Grund für diese “Distanzierung”?

    Auch der Gedankengang auf Seite 207, wie ihn Takina bereits beschrieben hat, finde ich, trifft den Nagel auf den Kopf. Der Kontrast von den reichen zu den armen Ländern und deren Bevölkerung wird hier klar aufgezeigt. In westlichen Ländern kann man durch den Einsatz von finanziellen Mitteln von unangenehmen und emotionalen Aufgaben Abstand nehmen. Wer in einem ärmeren Land zur Welt kommt, wird teilweise zu dieser emotionalen Distanz zu den eigenen Angehörigen gezwungen, um das Überleben der Familie finanzieren zu können. Und dieses Ungleichgewicht bleibt leider oftmals verborgen.

    Ich bin froh, dass Manuel aufgewacht ist und erhoffe mir, dass Daniela nun wieder “Mama wird” und sich wieder wahrgenommen fühlt.

  • Ich bin sehr froh, dass er aufgewacht ist! Sonst wäre auch die Schuld-Frage ganz anders aufgeladen und hätte diesem Roman eine abrupte Wendung gegeben. Ob das realistisch ist, kann ich nicht einschätzen, aber es freut mich für die Protagonisten 🙂

    Empfindet ihr es auch so, dass Bolzano es als eine Art “Belohnung” oder “Konsequenz” darstellt? Dass er aufwacht, weil Daniela sich so sehr bemüht hat? Ich weiss nicht recht, was ich davon halten soll. Wir sind halt nur Menschen, haben wir es wirklich in der Hand …?

    Ich bin mega gespannt auf den dritten Teil des Buches. Durchs reingüxeln habe ich gesehen, dass er aus der Sicht der bislang recht schweigsamen Tochter erzählt wird. Was interessiert Euch an Angelicas Sicht der Dinge am meisten?

  • Ich mag es, wie Balzano ab und zu Dialoge einbaut, die mich auf philosophische Lebensfragen weisen und mich dazu anregen, ein paar Momente nachzudenken.

    „Wenn ich mal alt bin, bin ich hoffentlich noch so selbstständig, dass ich mich zum Sterben einfach in eine Ecke verziehen kann wie die Spatzen“, sagte er [Matteo]. „Ich auch. Einfach auf den Boden legen, die Augen schliessen und die Namen meiner Kinder aufsagen.“ (Daniela)

    Ich wünsche mir auch, dass ich bis an mein Lebensende selbstständig bleiben kann. Aber dies ist leider oft nicht der Fall. Ich fürchte mich auch davor, von andern abhängig sein. Wenn ich auf Unterstützung angewiesen bin, möchte ich nicht grantig, zynisch oder gar böse gegenüber andern werden. Aber ich weiss nicht, wie ich dann reagieren werde, wenn ich am eigenen Leib erfahren muss, dass ich immer weniger Energie habe und mein Bewegungsradius immer kleiner wird.

  • Das Buch liegt zwar seit bald 2 Wochen bei mir, aber leider konnte ich erst vor 3 Tagen mit der Lektüre beginnen; ich habe aber bewusst auf das Lesen der bisherigen Kommentare verzichtet, um unbeeinflusst zu bleiben. Nun habe ich gestern den ersten Teil auch geschafft.

    Auf dieses Buch bin ich gestossen, weil mir der früherer Roman von Balzano (“Ich bleibe hier”) sehr gefallen hat. Während sich dort das Geschehen über ein halbes Jahrhundert hinzieht und vor einem starken geschichtlichen Hintergrund spielt, ist hier der Zeitraum kurz und die Handlung spielt auf einer sehr persönlichen Ebene. Mit der Situation von "Gastarbeiter(inne)n aus dem armen Osten Europass ist die Erzählung aber von grösster Aktualität. Balzano schildert sehr eindrücklich die Situation in den ländlichen Regionen Rumäniens, Bulgariens und Moldawiens, wie ich selber sie auf mehreren Reisen auch angetroffen habe: In den ärmlichen Dörfer vielerorts nur noch Alte (vor allem Frauen), die den zurückgelassenen Enkeln im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten noch ein Zuhause zu sichern versuchen, währen die mittlere Generation im reicheren Westen oder in Russland legal oder illegal und ohne Schutz einen Verdienst sucht. Dass Manuel unter diesen Umständen allmählich der Kontrolle von Grosseltern und älterer Schwester entgleitet, selber aber kaum einen wirklich eigenen Weg finden kann, scheint fast logisch. In diesem Sinn gibt es im ersten Teil auch kaum einen Überraschung; alles folgt bisher einem schicksalshaften Weg . . . 

    Kommt es in der Folge zum Ausbruch oder grossen Knall?