„Lesen heisst durch fremde Hand träumen.“ Fernando Pessoa
Der Roman nimmt einen mit, einerseits in die Lebensumstände sowie in die Gefühlswelt von Michael, andrerseits aber auch auf seine Reise durch die USA, welche er als letztes Projekt realisieren will, bevor er aus dem Leben scheiden wird. Das Cover verspricht Leichtigkeit, die es zwar tatsächlich auch gibt, Michael kann vor allem im Umgang mit anderen durchaus witzig sein, aber sehr oft ist die Atmosphäre eher ernst und etwas traurig. Es ist dafür eine tiefgründige Geschichte. Das Buch liest sich dennoch flüssig und bleibt bis zum Schluss spannend. Der Autor lässt den Protagonisten Michael in England in der Ich- Perspektive sprechen. Die USA-Kapitel sind jedoch in der dritten Person erzählt, als würde sich Michael von aussen betrachten. Den Aufbau ist sehr gekonnt, finden die Kapitel in zeitlicher Abfolge am Schluss wieder zu einander. Die Sprache ist mir zeitweilig etwas zu schwülstig und überladen, könnte jedoch Ausdruck Michaels seelischer Verfassung sein. Die Grübeleien sind wahrscheinlich ein typisches Symptom seines Zustands. Wahrscheinlich muss Michaels Innenleben mit etwas Pathos beschrieben werden, um die Ernsthaftigkeit seiner Situation zu beschreiben. Insgesamt ein lesenswerter und vielschichtiger Roman, ein Plädoyer für den Mut, aufzubrechen, um Luft zu bekommen, damit man „weiter atmen“ kann. Eine Hymne an Selbstakzeptanz und Liebe.
So zart wie das Cover beschreibt Caroline Wahl in einer modernen und originellen Sprache den Alltag von Tilda, die sich neben Studium und Nebenjob nicht nur um ihre kleine Schwester Ida, sondern auch um die alkoholkranke Mutter kümmert. Obschon das Leben der beiden sehr belastend ist, schaffen sie es, sich gegenseitig Halt zu geben und sich eigene Welten zu schaffen - Ida, indem sie malt und Tilda geht in ihrem Mathematikstudium auf. Diese innige schwesterliche Beziehung ist sehr berührend beschrieben. Des Weiteren tritt ein junger Mann in Tildas Leben, der ebenfalls wie sie regelmäßig im Freibad seine Längen schwimmt. Über deren Verbindung sei noch nichts verraten… Der Roman spielt jedenfalls auf mehreren Ebenen und bleibt wohl auch deshalb bis zum Schluss spannend. Das Buch ist packend und sehr lesenswert, auch weil zwischen den Zeilen etwas Sozialkritik mitschwingt, und dürfte mitunter jüngere LeserInnen ansprechen. Ein wunderbarer Roman über Familie, im positiven wie auch im negativen, über Verantwortung und das Verfolgen eigener Ziele unter erschwerten Bedingungen.
Mit „Lightseekers“ ist Kayode ein tolles Erstlingswerk gelungen: eine äusserst raffiniert konstruierte Geschichte, die in Nigeria angesiedelt ist und ein sehr trauriges Ereignis, den Mord durch Lynchjustiz an drei jungen Studenten, thematisiert. Dem Mord liegt ein aktuelles Problem zugrunde, das viele Leser ansprechen wird. Vor allem mit dem klinischen Psychologen Dr. Philip Taiwo und seinem Assistenten Chika hat Kayode zwei interessanten Protagonisten eine Stimme gegeben. Er schafft ein Spannungsbogen, der über die vier Akte hinhält bzw. sich immer mehr steigert. Die Erzählweise ist vielschichtig und sehr kurzweilig. Ich bin beim Lesen regelrecht versunken. Er bedient sich im übrigen eines Stilmittels, das einen sehr überrascht zurücklässt und einem zur Einsicht verhilft, dass auch wenn die Geschichte zwischendurch etwas verwirrend erscheint, sich am Schluss doch alles auflöst - einfach grandios! Vielleicht hat mir zuweilen die mir aus anderen afrikanischen Romanen bekannten Kommunikationsrituale gefehlt, dafür werden die gesellchaftlichen Normen und Probleme von Nigeria aufgezeigt. Ich bin auf das nächste Buch mit Philip als „ermittelnden“ Psychologen sehr gespannt! „Lightseekers“ ist ein Buch, auch für nicht Krimi-Leser, die jedoch spannende und raffiniert geschriebene Geschichten mit interessanten Protagonisten mögen.