«Wer die Wahrheit nicht weiss, der ist bloss ein Dummkopf. Aber wer sie weiss und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher». Dieses Zitat von Bert Brecht hat Karl Rühmann seinem Roman «Der Held» vorangestellt. Nur: kann man sicher sein, die Wahrheit zu kennen? Im Roman zeigt sich immer mehr, dass die Wahrheit eine Frage der Perspektive ist.
Es geht um zwei Militärs, die früher in der gemeinsamen jugoslawischen Armee gedient hatten, im Balkankrieg der 1990er-Jahre jedoch erbitterte Feinde wurden. Der eine, General Modoran, der andere, Oberst Bartok, sind beide als Kriegsverbrecher in Den Haag angeklagt. Nach 5-jährigen Verhandlungen wird der General frei gesprochen und zum Helden in seinem Land, der Oberst wird verurteilt. Nachdem sie sich in Den Haag, auch aufgrund ihrer gemeinsamen militärischen Basis, immer näher gekommen waren, beginnen sie nach der Entlassung des Generals einen freundschaftlichen Briefwechsel. Rühmann erweitert die Situation geschickt zu einer Dreiecksgeschichte. Ana Tironi, die Witwe eines Modoran unterstellten Offiziers und ausgesprochene Verehrerin des Generals, bewirbt sich bei diesem als Haushälterin und bekommt die Stelle. Ihre Absicht: sie will die genaueren Umstände über den Tod ihres Mannes, der im Krieg Selbstmord gemacht hat, herausfinden. Sie beginnt die Briefe von Bartok an Modoran zu lesen und bringt Bartok, den sie zutiefst verabscheut, auch mit dem Tod ihres Mannes in Verbindung. Der Briefwechsel verliert an Freundlichkeit, wird agressiv und zuletzt sogar erpresserisch. Ana erkennt, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt. Ein geschickt konzipiertes und gescheites Buch.