Ich lese und wandere sehr viel, spiele Tennis. Bin pensioniert.
Ein in gewissen Teilen etwas langfädiger Roman von Ken Follett, der schildert wie es zu einem Atomschlag kommen könnte. Minutiös und gut recherchiert zeigt er die einzelnen Eskalationsstufen auf. Dabei gibt es einen Haupt- und diverse Nebenstränge, die ihre eigenen Spannungsbögen haben und am Anfang und im Mittelteil den Haupstrang fast ein bisschen an den Rand drängen. Das Buch geht von heutigen realen politischen Situationen aus und entwickelt ein mögliches Zukunftsszenario. Für Thriller- und Science Fiction Freunde ein Muss.
«Wer die Wahrheit nicht weiss, der ist bloss ein Dummkopf. Aber wer sie weiss und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher». Dieses Zitat von Bert Brecht hat Karl Rühmann seinem Roman «Der Held» vorangestellt. Nur: kann man sicher sein, die Wahrheit zu kennen? Im Roman zeigt sich immer mehr, dass die Wahrheit eine Frage der Perspektive ist. Es geht um zwei Militärs, die früher in der gemeinsamen jugoslawischen Armee gedient hatten, im Balkankrieg der 1990er-Jahre jedoch erbitterte Feinde wurden. Der eine, General Modoran, der andere, Oberst Bartok, sind beide als Kriegsverbrecher in Den Haag angeklagt. Nach 5-jährigen Verhandlungen wird der General frei gesprochen und zum Helden in seinem Land, der Oberst wird verurteilt. Nachdem sie sich in Den Haag, auch aufgrund ihrer gemeinsamen militärischen Basis, immer näher gekommen waren, beginnen sie nach der Entlassung des Generals einen freundschaftlichen Briefwechsel. Rühmann erweitert die Situation geschickt zu einer Dreiecksgeschichte. Ana Tironi, die Witwe eines Modoran unterstellten Offiziers und ausgesprochene Verehrerin des Generals, bewirbt sich bei diesem als Haushälterin und bekommt die Stelle. Ihre Absicht: sie will die genaueren Umstände über den Tod ihres Mannes, der im Krieg Selbstmord gemacht hat, herausfinden. Sie beginnt die Briefe von Bartok an Modoran zu lesen und bringt Bartok, den sie zutiefst verabscheut, auch mit dem Tod ihres Mannes in Verbindung. Der Briefwechsel verliert an Freundlichkeit, wird agressiv und zuletzt sogar erpresserisch. Ana erkennt, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt. Ein geschickt konzipiertes und gescheites Buch.
Der Wod, ein altdeutscher Kriegsgott, übernimmt in dieser Familiengeschichte die Rolle des Grauens, des Albtraums – und er tritt nicht selten auf. Durch Heirat kommt es zur Zeit des 2. Weltkrieges zur Vermischung einer norddeutschen und einer schweizerischen Familie. Der Roman umfasst fünf Generationen und beinahe eine Periode von hundert Jahren. In Der Atmosphäre von Nazitum, Freimaurerei, Katholizismus, Krieg und Kriegsgewinnlern herrscht eine eigenartige Spannung. Silvia Tschui gestaltet die Charaktere unglaublich differenziert, ohne dabei zu werten. Es liegt am Leser , sich von den verschiedenen Personen angezogen beziehungsweise abgestossen zu fühlen, und weil diese Charaktere nicht einfach schwarz/weiss sind, pendelt man nicht selten zwischen den Seiten. Die Sprache ist sowohl mit norddeutschen als auch schweizerischen Dialektismen durchsetzt und bewusst etwas knorrig gehalten, was zu aufmerksamem Lesen zwingt. Tipp: unbedingt lesen.
Juli Zeh greift in ihrem neuesten Roman «Über Menschen» wieder das Stadt/Land-Thema auf. Geschickt flechtet sie die aktuellen Themen Klima und Corona ein, wobei diese nur oberflächlich behandelt werden. Dora hat soeben ihrem Freund Robert, einem Klima- und Corona-Fundamentalisten, gekündigt und Berlin verlassen. Mit ihrem letzten Ersparten hat sie auf dem Land ein altes Gutshaus mit 4000 m2 Umschwung erworben. Ein Traum für eine Städterin. Hier kann sie voerst im Homeoffice arbeiten. Aber sie lebt nicht allein im Dorf Bracken - und da beginnen die Probleme. Dass der direkte Nachbar ein Rechtsextremer ist, erleichtert die Sache auch nicht und das Aufeinandertreffen von Dora mit diesem Gote wird zum Hauptstrang der Geschichte. Die beiden Protagonisten werden von Juli Zeh sehr gut gezeichnet, wohingegen die andern Figuren eher ein bisschen blass bleiben. Der Schluss kommt etwas überraschend. Ich hätte mir noch eine Vertiefung der Auseinandersetzung gewünscht. Das Buch ist, nach einigen Startschwierigkeiten, sehr spannend und liest sich sehr leicht.