Die Hauptfigur im Buch, Honora, wächst in Irland auf und erlebt als junge Frau die grosse Hungersnot von 1849. Im ersten Teil des Buches wird denn auch vor allem diese grosse Not beschrieben und die Grausamkeit der englischen Landherren. Hier gelingt es der Autorin sehr gut, das Leiden und den Hunger der Landbevölkerung fühlbar zu machen, die LeserInnen mitzunehmen, Interesse zu wecken für diesen Teil der irischen Geschichte. Die mutterlose Honora ist zwar seit je her eine Aussenseiterin in der dörflichen Gemeinschaft, aber einige Leute meinen es durchaus gut mit ihr: der Lehrer, Alice die Waldhexe und natürlich Nell, die ihr in der wohl schwierigsten Situation, bei der Geburt des toten Kindes, beisteht.
Im zweiten Teil gelingt es Honora, sich auf ein Auswandererschiff nach New York zu schmuggeln. Sie trifft dort auf andere irische Mädchen, die Irland verlassen und sich ein besseres Leben in Amerika erträumen und freundet sich mit Mary an, einer notorischen Lügnerin. Zusammen arbeiten sie ein Jahr als Dienstmädchen in New York. Über diese Zeit erfährt man fast nichts, nur dass es kalt war und sie ausgenutzt wurden. Einerseits wurden sicher viele Dienstmädchen ausgenutzt, andrerseits gab es in New York eine grosse irische Gemeinschaft, die sich um ihre Landsleute kümmerte. Die Abreise von NY empfand ich als sehr konstruiert. New York ist auch für die Autorin nur eine Zwischenstation, der Plan war nach Westen zu gehen. Allerdings wartet auch im Westen nicht die Freiheit, sondern ein Freudenhaus. Wieder prekäre Bedingungen, wieder Unfreiheit, wieder Not. Schliesslich bittet ein Cowboy Honora ihn zu heiraten, wird quasi ihr Retter und hilft ihr unter dramatischen Umständen das Freudenhaus zu verlassen.
Im dritten Teil fliehen Honora und der Cowboy weiter westlich, heiraten, erwerben Land und bauen eine Farm auf. So gut ist es Honora noch nie ergangen, aber sie hat weder die grosse Freiheit noch die grosse Liebe gefunden. Sie ist immer noch fremd im Land. Da taucht ein «Indianer» auf. Auch er ist ein Vertriebener und er ist zudem ein Seelenverwandter.
Der Roman ist für mich zwiespältig. Sprachlich finde ich ihn gut, ich habe das Buch gerne gelesen, es ist spannend und regt auch zum Nachdenken an. Das Schicksal von Honora bewegt. Die Schwierigkeiten der irischen Auswanderer werden gut gezeigt. Es sind Schwierigkeiten, mit denen Migranten überall zu kämpfen haben. Das Thema ist immer aktuell. Dennoch löst das Buch bei mir keine Begeisterung aus. Es gibt zu viele Ungereimtheiten. Der Piseog erklärt zwar einiges: ein Rotkehlchen soll bei der Geburt von Honora Unglück gebracht haben. Ein Rotkehlchen kann vieles bedeuten: Glücksbote, Leben, Neuanfang oder auch das Gegenteil (Tod, Vergangenheit, loslassen). Das Vogelthema wird immer wieder aufgegriffen, aber nie überzeugend. Auch die Rolle von Alice, der Waldhexe, ist unklar: «du warst mir eine Freundin, als ich ein kleines Kind war», sagt Honora zu ihr, trotzdem will sie lieber nichts mit ihr zu tun haben, fürchtet sich vor ihr. Auch Mary ist schwer einzuordnen, sie ist eine Lügnerin und eine Verräterin, keine Kämpferin wie Honora. Aber für Honora ist sie die Verbindung zu Irland, ein Stück Heimat. Mary taucht am Ende der Geschichte wie eine alte Freundin wieder auf und setzt sich samt Kind ins Nest. Das Ende des Romans überzeugt mich nicht, weder die eher kitschige Liebesbeziehung mit Josef, noch das dramatische Auftauchen von Mary mit Kind und Mann. Die Autorin wollte die Verbindung zwischen Irland und den Cayuse zeigen. Im Roman wird diese Verbindung beim Kauf des Landes erstmals angedeutet. Auch wenn es sicher Parallelen gibt und sich heute beide Volksgruppen verbunden fühlen, die Romanfigur Honora konnte dadurch weder in New York noch später in ihrer Ehe mit Prosper ein Zuhause finden. Sie wird von der Autorin getrieben, weiter zu suchen. Diese Suche wirkte aber je länger je weniger glaubwürdig.