Ich durfte “Zwischen Welten” von Juli Zeh und Simon Urban im Rahmen einer Leserunde des Orell Füssli Book Circles lesen, wo das Buch selbst und die Charaktere bereits ausführlich diskutiert wurden. Hier teile ich nun also nochmal, wie ich persönlich das Buch empfunden habe, aber auch worauf mich andere Leser*innen aufmerksam gemacht haben! (;
Ganz allgemein ist “Zwischen Welten” für mich ein gutes Buch. Eher keine leichte Unterhaltungslektüre und benötigt beim Lesen die volle Aufmerksamkeit, aber trotzdem relativ leicht verständlich und in einem gut lesbaren, lockeren Tonfall geschrieben. Im Gegensatz zu vielen anderen Leser*innen der Leserunde empfand ich die Form des Briefromans sehr angenehm und passend und auch der Wechsel zwischen Mails und Kurznachrichten und der damit einhergehende wechselnde Schreibstil erfolgt sehr natürlich und nachvollziehbar.
Anhand der Konversation der beiden Hauptpersonen werden eigentlich alle wichtigen gesellschaftlichen und politischen Diskurse unserer Zeit behandelt - von Klimawandel über Genderfrage bis hin zur Grundfrage des Journalismus und der Existenzgrundlage der Landwirtschaft kommt alles vor, sogar der Ukraine Konflikt wurde nachträglich meiner Meinung gelungen ins Buch mit eingearbeitet.
Beide Charaktere haben für mich ihre Berechtigung und ihre Vorzüge sowie Macken. Das Stefan in Rezensionen häufig als “Unsympath” dargestellt wird, kann ich nur bedingt nachvollziehen - auch wenn man bei manchen Aussagen und Handlungen kurz aufstöhnen möchte, wird doch sehr deutlich dargestellt wie und warum sich seine Denkweise so entwickelt hat. Tessa ist für mich genauso wenig perfekt und an anderen Stellen unsympathisch, aber ich denke es kommt hier auf den persönlichen Hintergrund an, mit wem man sich hier besser identifizieren kann.
Ich finde es abschliessend noch wichtig zu sagen, dass man sich beim Lesen der beiden Lebenswelten durchaus der Ironie und Überspitzung bewusst sein sollte! In einer Bewertung auf einer anderen Plattform habe ich gelesen, dass sich jemand über das penetrante Gendern beschwerte und sich über die Zukunft und Lesbarkeit des Schreibens sorgte. Diese Person hat meiner Meinung nach genau diese überspitze Darstellung nicht verstanden, die beim Genderthema beginnt und in der Fair-Trade-Bio-Kaffeemaschine gipfelt. Theresas Leben auf dem Land ist für mich genauso überspitzt, vielleicht aber weniger ironisch dargestellt. Ich glaube, hier kann man sich durchaus bewusst sein, dass es sich hier um ein konstruiertes, literarisches Konstrukt handelt und nicht um 1:1 Beschreibungen realer Lebenssituationen.
Insgesamt hat mich das Buch langfristig gepackt und mich zum Nachdenken angeregt, ich freue mich auf weitere Bücher der Autoren!