MelanieH
Kapitel 1 - Liegt es an mir, bin ich gerade zu müde zum Lesen oder warum gefällt mir die erste Szene dieses Romans nicht?
Elsa ist einsam, fühlt sich hässlich und ungeliebt. Eltern und Schwestern verachten sie und schliessen sie aus.
Mir scheint die Beschreibung der Familiensituation zu sehr à la “Waisenkind / hartherzige Eltern”- a bit too much.
Zum Glück hat Elsa ihre Bücher. Hier lernt sie z.B. in Zeit der Unschuld, dass gesellschaftliche Regeln auch gebrochen werden können, und vermutlich aus Fanny Hill einiges über Sex und Lust. (Hallo Klischees). Sie beschliesst an ihrem 25. Geburtstag, auszubrechen aus dieser Einsamkeit. Sie schminkt sich, brezelt sich auf, wagt den Spaziergang ausser Haus - und hoppala, schon erscheint der Prinz.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie so ein schüchternes, verklemmtes Wesen beim ersten Treffen so locker und ungehemmt mit einem Fremden umgeht. Und schwupps, schon lässt sie sich verführen. Hach! Das ist für mich “zu schnell gekochte Kost”. Romanheftli-Stil. Wäre es mein Buch, würde ich es spätestens hier zur Seite legen. Tapfer weitergelesen!
In der Folge versuche ich, Details auszublenden, die mich irritieren. Ist ihre Bettdecke ein selbst genähter Quilt , liegen liebevoll bestickte Tücher und mit Perlen verzierte Alençon-Spitze nutzlos in der Aussteuertruhe - will ich das wissen? Muss ich das wissen? Weiter, leicht genervt.
Nun wird Elsa, schwanger - zu jener Zeit eine gesellschaftliche Katastrophe - von ihrem Vater ja recht brutal ins reale Leben “befördert”, vom bürgerlichen Elternhaus auf die Farm.
Schon fies, wie die Arme von allen verkannt wird. Ausser von ihrer Schwiegermutter Rosa. Auch so ein Wunder. Trotz allem werde ich nicht warm mit Elsa. Ich möchte sie mal schütteln. Sag was!
Nachdem ich gemerkt habe, dass die Geschichte auf einem historisch gesicherten Hintergrund basiert, wird es für mich spannender. Die Autorin beschreibt eine der schlimmsten Umweltkatastrophen des letzten Jahrhunderts in Amerika, den Dust Bowl. Im Internet finde ich viele Berichte und Bilder dieser Zeit. Was im Buch fast unrealistisch daherkommt, ist gut recherchiert und versöhnt mich (vorläufig) mit dem Stil. Man kann es sich nicht vorstellen, wie das Leben während jahrelanger Dürre, Hitze, Stürme und ohne Hilfe von aussen ausgesehen haben muss. Das am Beispiel der Familie im realen Alltag auf der Farm “mitzuerleben”, ist ein gutes Mittel, mich am Lesen zu halten.
Raf, der unfreiwillige Ehemann, bleibt recht farb- und kraftlos. Dass seine Tochter eine so enge Bindung zu ihm entwickelt, ist eigentlich wunderbar. Warum aber teilt er seine Träume nicht auch mit seiner Frau? Warum hilft er ihr nicht, ihre Schüchternheit / Verklemmtheit zu ûberwinden? Immerhin sagt er ihr doch auf Seite 29 noch “Du bist eine gute Zuhörerin”.
Elsa ist für mich die wandelnde selbsterfüllende Prophezeiung. “Weil ich hässlich bin, liebt mich niemand. Ich bin unwichtig”. Und hausfrauenpsychologisch ist ja klar, dass das nach aussen wirkt. Diese Selbstaufopferung, das schweigende, duldende, aufopfernde Arbeiten für die Familie, das hält ja keiner aus.
Raf merkt gar nichts. Den möchte ich auch mal schütteln. Er gibt zuerst auf, verlässt in der schlimmsten Zeit Farm und Familie bei Nacht und Nebel und bringt dadurch ungewollt Mutter und Tochter endlich näher zusammen.
Nun muss sich einiges ändern…
Bis nächste Woche!