Das Cover finde ich wirklich künstlerisch sehr gut gelungen (danke für die Info, dass es von der Autorin selbst stammt). Ich hätte mir das Buch bestimmt auch im Laden oder in der Bibliothek näher angeschaut. Ob ich es gekauft hätte oder zuende gelesen, weiss ich nicht. Mir persönlich nehmen Krankheiten, insbesondere der komaartige Zustand der Protagonistin, zu viel Raum ein.
Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass mich starke Frauenpersönlichkeiten faszinieren. Dies und auch die Gegenüberstellung der beiden Protagonistinnen aus zwei verschiedenen Kontinenten waren dann auch die Hauptgründe, warum ich mich für diese Leserunde bewroben habe. Ich finde es sehr toll, dass uns Book Circle diese Möglichkeit gibt, so Zugang zu Büchern zu bekommen, die wir sonst vielleicht nicht lesen würden.
Es fällt auf, dass die Lebensläufe beider Frauen auf sehr ähnliche Weise von Genderrollenbildern und gesellschaftlichen und familiären Erwartungen geprägt wurden, und dies obwohl sie in unterschiedlichen Ländern, Kulturen und sozialen Schichten aufgewachsen sind. Beide wurden ihrer Träume beraubt, weil von ihnen erwartet wurde, dass sie bald heiraten und ihrem Mann dienen sollen und nicht Bildung anstreben sollten. Interessant ist, dass beide einen Beruf im Gesundheitswesen anstrebten. Und gegen Ende des Abschnitts, den wir für diese Woche gelesen haben, haben beide bereits eine Entscheidung getroffen, die mit den von ihnen erwarteten Verhaltensnormen bricht und deren Konsequenzen sich im Folgenden Buchteil eröffnen werden.
Das Kapitel zu den geplatzen Träumen und zum Frauenstimmrecht in Kamerun* und der Illusion von Freiheit ist es vielleicht auch, was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, wenn es auch noch andere eindrückliche Textstellen gab.
Generell finde ich die Sprache äusserst eindringlich und aussergewöhnlich. Ich hatte mir das Buch auch länger und dichter vorgestellt. Die Sprache wirkt ungewohnt, sehr unmittelbar. Die Sprachbilder, die teilweise evoziert werden, zusammen mit den kurzen Sätzen, die oft keine Verben beinhalten, geben dem Text etwas, was in Teilen mehr an Gedichte erinnert, als an einen Roman. Die beiden Protagonistinnen sprechen ungefiltert und unkontextualisiert zu uns, es ist, als ob wir ihre Gedanken lesen könnten. Es ist ungewohnt, aber irgendwie auch eindrücklich. Ich finde es hilfreich, dass es zwei Farben gibt, da die Perspektive ja fast nach jedem Kapitel wechselt, die beiden Damen beide in der Ich-Form zu uns sprechen und nicht einmal einen Namen haben. Generell haben mit der Ausnahme von Franzli und Hans bisher keine Figuren Namen.
* Laut Wikipedia ist das Frauenstimmreicht in Kamerun übrigens 1946 eingeführt worden. Da die Protagonistin schildert, damals etwa 6 Jahre alt gewesen zu sein, bedeutet das, dass sie um 1940 herum geboren worden sein muss…