So, mit etwas Verspätung habe ich es auch noch durch den 1. Teil geschafft – sorry für die Verzögerung! Grundsätzlich finde ich den Text sehr spannend, allein die Tatsache, dass ein Kind verschwunden ist, berührt mich als Mutter natürlich sehr. Auch die Sprache erhöht die Spannung und im Gegensatz zu vielen hier finde ich diese richtig toll: Abgebrochene Sätze, Ellipsen, abwechselnd direkte Rede und dann wieder Gedanken, schnelle Perspektivenwechsel, oftmals fast lyrische Passagen, zum Teil etwas verwirrende Aussagen (ev. auch aufgrund des Alkohols) – ich habe wirklich das Gefühl, die innere Zerrissenheit, die Verzweiflung und die Trauer des Vaters zu spüren. Ich finde, Inhalt und Sprache passen diesbezüglich super zusammen! Auch gefällt mir, dass der Text mehrschichtig und nicht chronologisch ist – die Spannung wird dadurch sicherlich erhöht. Gleichzeitig wird aber so geschrieben, dass man jederzeit nachvollziehen kann, wann eine Szene jetzt spielt. Auch gefällt mir, dass der Text eben nicht «nur» einfach ein Krimi ist, sondern das Seelenleben und die Beziehung von Tim und Rebecka sehr bildhaft beschreibt. Ich glaube, wenn man als Eltern nicht selber ein Kind «verloren» hat, kann man sich nicht vorstellen, wie sich das anfühlt. Mit Tim und Rebecka haben wir zwei Figuren kennengelernt, die auf ganz unterschiedliche Weise damit umgehen, beide Perspektiven sind sehr eindrücklich beschrieben – und spannend ist auch zu lesen, was dieses Ereignis aus ihrer Beziehung macht. Auch die Rolle von Maia bzw. der Umgang von Vater bzw. Mutter mit ihr finde ich ganz spannend. Oftmals habe ich mir überlegt, wie ich wohl reagieren würde, was meiner Meinung nach ein Zeichen ist, dass der Autor den Leser packen kann. Ich bin also nicht nur gespannt, wie der Krimi, sondern auch wie dieses Familiendrama ausgeht.
Was mir weniger gefällt, ist, dass ich das Gefühl habe, ganz viel nicht zu wissen. Bei Krimis ist das eigentlich ja nichts Ungewöhnliches, aber hier habe ich den Eindruck, dass ich Dinge wissen müsste, weil sie wohl im «Vorgänger-Roman» abgehandelt worden sind. So lesen wir auf zig Seiten, dass ein Mädchen verschwunden ist, aber wir erfahren nirgends, wie das passiert ist. Oder warum waren die überhaupt auf Mallorca? Auch trifft Tim auf diverse Figuren, die er zu kennen scheint. Aufgrund der Aussagen oder Reaktionen ist auch klar, dass sie vorher schon Kontakt hatten, aber in welchem Zusammenhang diese Figuren zueinander stehen, bleibt im Dunkeln. Auch Aussagen von Figuren wie «Ich weiss, wozu du [Tim] fähig bist.», schürt die Spannung – anscheinend ist unsere Hauptfigur nicht nur gut. Auch fragte ich mich, wie Tim überhaupt so viele Jahre es finanziell schafft, nach seiner Tochter zu suchen. Wir kriegen immer wieder Hinweise (z.B. dass er «Sponsoren» hat oder dass er auch Überwachungsaufträge dort annimmt), aber genaue Infos fehlen. Dieses Unwissen gefällt mir leider gar nicht. Ich habe das Gefühl, dass viele Ungereimtheiten oder «Löcher» in der Logik dadurch entstehen, weil wir einfach die Vorgeschichte nicht kennen. Würde ich das Buch jetzt nicht im Rahmen des Book Circles lesen, hätte ich die Lektüre wohl abgebrochen (bzw. unterbrochen) und zuerst den 1. Teil gelesen. Eigentlich aber finde ich, dass es möglich sein sollte, einen Fortsetzungsroman zu lesen, ohne den 1. Teil zu kennen. Der Autor hätte mehrfach die Möglichkeit gehabt, kurz zu erläutern, woher sich die Figuren kennen, wie das Mädchen verschwunden ist etc., aber er tut es trotzdem nicht. (Ich hätte mir sogar überlegt, die unzähligen Szenen etwas zu kürzen, wo über Tims Zerrissenheit berichtet wird – für mich war’s irgendwann genug. Dafür hätte man ein paar Seiten mit Hintergrundinfos aus dem 1. Roman füllen können… So wäre auch etwas mehr Handlung im Text, was vielen von uns anscheinend fehlt… )
Was die weitere Lektüre anbelangt, bin ich natürlich neugierig, was passieren wird, aber auch, was wir über das Vergangene erfahren. Ich hoffe doch, bald mehr über das Verschwinden zu erfahren oder die Verhältnisse der Leute zueinander…