Ich bin vom Geiger leider gar nicht überzeugt…
Mein allgemeiner Eindruck nach dem ersten Drittel: 2 von 5 Sternen
Schreibstiel
Ich finde es verwirrend, dass die Kapitel alle extrem unterschiedlich lang sind. Das macht zwar Sinn, wenn ein Kapitel aus Agnetas Sicht (oder Karla Breuers) geschrieben ist. Bei Kapiteln aus Saras Perspektive stört es für mich den Lesefluss.
Ausserdem empfinde ich die vielen gedanklichen Abschweifungen der Figuren überflüssig. Es fühlt sich an, als ob der Autor spricht, und nicht die Figuren selbst, besonders dann, wenn die gedankliche Abschweifung nur wenig bis gar nicht zur Geschichte beiträgt
Zu den Hauptfiguren
Sara Nowak
Ich finde Sara eine furchtbar Figur. Sie ist nicht clever; sie handelt in verschiedenen Situationen extrem unmoralisch, sucht den Fehler aber nie bei sich. Wenn sie - zu Recht - auf ihr Fehlverhalten angesprochen wird, fühlt sie sich schlecht behandelt.
Während ich ein gewisses Mass an Zynischmus und Despotismus erwartet habe - der Thriller kommt immerhin aus Schweden, und diese Bücher haben einen gewissen Ruf - gehen Saras Gedankengänge für mich weit über das Mass hinaus.
Sie greift die Religion ihres Arbeitskollegen David ohne irgendeine Provokation seinerseits an - er hat nicht einmal eine Aussage wie oh Gott oder so gemacht. Demgegenüber steht, dass ihr Annas Esoterik vollkommen egal zu sein scheint.
Sara ist die Tochter einer alleinerziehenden Mutter. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Und sie scheint weder ihre Mutter, noch ihren Mann besonders leiden zu können. Genau genommen scheint Sara niemanden (eingeschlossen sich selbst) leiden zu können.
Sie ist übermässig brutal gegenüber einem Freier - was ich auf einer persönlichen Ebene gegeben den Umständen ja sogar verstehe - sieht aber kein Problem mit ihren Handlungen. Sie zeigt keine innere Konflikte wegen ihren Handlungen, was für mich langweilig ist.
Was mich extrem genervt hat, waren ihre wiederkehrenden Tiraden über materiellen Wohlstand und Luxusprodukte. Für rund hundert Seiten sind diese komplett zusammenhangslos und schwer nachvollziehbar. Eine mögliche Erklärung folgt zwar, aber für mich zu spät. Sara hat ein Problem mit Luxus - was sie aber nicht davon abhält in einer absoluten Luxuswohnung zu leben.
Im Allgemeinen hat Saras Figur für mich einfach zu viele Ecken und Kanten, ohne dabei interessant zu sein. Entsprechend bin ich von ihr nur genervt, was das Lesen für mich etwas mühsam machte.
Agneta Broman
Die Kapitel aus Agnetas Sicht sind bislang die spannendsten für mich. Sie inspirieren mich zum Rätseln: Wieso hat sie Angst, dass Abu Rasil nach Schweden kommt? War der Anruf für Agneta bestimmt, eine Art Zeichen, dass sie in Aktion treten muss? Und wenn ja, wieso hat es ein Palästinensischer Terrorist auf (ex-) Stasi Agenten abgesehen?
Die Freude an Agnetas Kapiteln hält sich für mich leider nicht lange, dazu macht sie einfach zu viele Logikfehler. Ein Pistolenschuss, selbst mit Schalldämpfer ist problemlos in einer Hauszufahrt zu hören. Agneta hatte keinen ersichtlichen Grund, nicht zu waren, bis die Kinder losgefahren waren. Hätte sie Stellan auch sofort erschossen, wenn die Kinder (oder die Enkel!) noch im Haus gewesen wären?
Und wenn sie sich beeilen muss, wieso wartet sie danach acht Stunden (!) um eine Batterie zu laden? In dieser Zeit hätte sie eine neue Batterie kaufen können. Ganz davon abgesehen muss man nicht warten, bis eine Autobatterie voll geladen ist, damit der Wagen wieder anspringt.
Karla Breuer / Das Gespenst
Bei ihrem ersten Auftritt war ich sofort begeistert von Karla. Eine alte Frau, kurz vor der Pension, die beim BND arbeitet. Sie wird Gespenst genannt und jagt ihrerseits einen Geist. Auf ihre Geschichte freue ich mich richtig!
Und dann muss der Autor leider alles wieder kaputt machen. Im zweiten Kapitel, in dem Karla auftaucht gehen alle Sympathiepunkte sofort wieder verloren. Eine etwas verbitterte, verbissene alte Geheimagentin fand ich einen super Ansatz. Die bösartigen, verachtenden Gedanken die Karla aber allem und jedem gegenüber empfindet sind für mich einfach nur abstossend (“Sie hätte ganz Schweden verboten.” - S. 74; ??!)
Sonstiges
- Meine bisherige Lieblingsfigur ist David, auch wenn er nur eine Nebenrolle hat
- “Der Autor spricht” - einige der gedanklichen Abschweifungen der Figuren haben nur extrem wenig mit der Szene zu tun, und die gleichen Ansichten tauchen bei mehreren Figuren auf; daher fühlt es sich für mich an, als ob der Autor seine Meinung kund tut, und nicht die Figuren
- Wieso glauben gleich zwei Figuren im uch, dass die DDR vor 50 Jahren (also ca. 1970?) aufhörte zu existieren? Gibt es da in Schweden eine allgemeine Bildungslücke?
- Wieso ist die Hauptfigur bei der Sittenpolizei und nicht bei der Kripo? Kommt da noch eine Verbindung zu ihrem eigentlichen Dezernat oder ist das ein loser Faden (ich hoffe sehr, dass da noch eine Verbindung kommt, sonst kriege ich einen Anfall….)
Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich das Buch, wenn es nicht für diese Leserunde wäre, nach 50 Seiten weggelegt und nie wieder angefasst hätte. Die Spionage-Geschichte finde ich ganz spannend, aber ich kann Sara einfach nicht ausstehen, und dadurch wird das Buch für mich zunichte gemacht. Vielleicht verbessert sich meine Einstellung im nächsten Teil, aber nach über 150 Seiten habe ich leider keine grosse Hoffnung.