Belana_st
Nein, ich denke, dass es keine Altersbegrenzung braucht. Bei sehr jungen Kindern sind es ja sowieso meist noch die Eltern, die die Bücher kaufen und in der Bibliothek bedienen sie sich ja automatisch in der richtigen Abteilung (und oft sind die Eltern am Anfang ja auch noch mit dabei).
Im späteren Alter geht man meist ebenfalls auch in die jeweils passenden Abteile und schnuppert selbst durch, was einem passt und was nicht. Ein Fan von Detektiven tendiert vielleicht auch eher zu Krimis und kommt so auch an die blutigeren/etwas bildnerische Texte heran. Da merkt man relativ schnell, wie einem das passt und sonst kann man immer noch einfach das Buch zuschlagen und aufhören. Man sollte das einem Teenager auch zutrauen dürfen. Ich hatte auch irgendwann mit 16 das erste Buch mit detailierten erotischen Szenen in der Hand. Erwartet habe ich das im Buch nicht (ich habe es in der Brocki gefunden und einfach für ein typisches Fantasybuch gehalten) aber ich konnte sehr schnell abschätzen, dass das kein Problem für mich war.
Und heute gibt es ja in gefühlt jedem zweiten Buch auch Triggerwarnungen. Die sind meiner Meinung nach mehr als genug, um einen jüngeren Leser einschätzen zu lassen, ob das etwas für ihn ist. Es lässt mich alt klingen, aber die gab es ja selbst bei mir noch nicht und es war auch so kein Problem für meine Generation. Meiner Meinung nach braucht es diese auch jetzt noch nicht.
Ausserdem kommt ein Buch sowieso mit viel mehr davon, denke ich. Solange es ja „nur“ ein Text ist und man keine Bilder sieht, kann man Dinge auch wesentlich besser verarbeiten. „Harry Potter“ ist da so der klassische Fall bei bei vielen: Die meisten bekommen von den Eltern noch gesagt, sie dürften den Film jeweils erst schauen, wenn sie auch das Buch gelesen haben. Ich habe dort den Unterschied selbst am deutlichsten zu spüren bekommen, als ich ausgerechnet beim vierten Band bereits nach der Hälfte schon den Film gesehen habe. Die Tatsache, dass dort dann einerseits eine Hand abgehackt wurde und ein Tod zum ersten Mal auch wirklich betrauert wurde mit der ganzen Ansprache und allem, ist mir anders eingefahren, als wenn ich es gelesen hätte und darauf vorbereitet gewesen wäre.
Bilder und Videos sind für mich generell ein wesentlich heikleres Thema, aber solange manche Kinder gefühlt einen freien Zugang im Netz haben, ist ein Buch dagegen noch beinahe heilig. Fanfictions gehen ja schon oft extremer an gewisse Dinge heran als Bücher und selbst das sind ja nur Texte, aber eben frei zugänglich.
Bücher kommen auch mit viel mehr davon, wenn sie nur „richtig verpackt“ sind. Ob das jedem gefällt, ist eine andere Sache, aber kaum jemand zuckt mit der Wimper, wenn sie eine Buchreihe wie „Warrior Cats“ bei den Empfehlungen ab 12 oder schon 10 Jahren eingeteilt sehen. Dabei geschehen bereits in der ersten Staffel etliche Morde und andere schlimme Dinge, teils deutlich beschrieben (bsp. Aufschlitzung von Hals bis zum Rumpf mit anschliessenden Todeskrämpfen, ein in eine extreme Depression verfallender Anführer, der dadurch den ganzen Clan und/oder Mitglieder davon in Gefahr bringt, eine bei der Geburt sterbende Mutter, Vertreibung eines gesamten Clans, Umgang mit Behinderung, nach einem „Unfall“ etc.). Generell werden Themen wie Vorurteile, Religion, Machtmissbrauch, Moral und anderes dort zwar noch immer vereinfacht, aber dennoch für das Alter bereits sehr vertieft durchgenommen und man kommt damit davon, einfach weil es ja nur Katzen sind. Nicht alles ist perfekt und bei manchen Dingen sollte man als Eltern vielleicht noch nachhelfen (ein Buch aus der Reihe, welches zum Beispiel Grooming thematisiert, verdeutlicht viel zu spät, wie schlecht das wirklich ist und leider auch ein wenig aus den falschen Gründen, sodass ein Kind das möglicherweise auch falsch aufgreift). Genau das ist auch teilweise der Grund, warum die über 20 Jahre alte Reihe noch kein Film hat, trotz der Beliebtheit: Eine beschriebene aufgeschlitzte und verblutende Katze ist noch immer etwas, über was man zwar lesen kann, aber was man der gleichen Altersgruppe dennoch noch nicht auf dem Bildschirm zeigen will.
Ich habe aber noch nie davon gehört, dass ein Kind nach dem Lesen dieser Bücher traumatisiert war, was vielleicht auch zeigt, dass man ihnen mit dem richtigen Umgang (oder wohl auch der richtigen Verpackung) auch schon vieles zutrauen kann, auch das Einschätzen, was man verträgt und was nicht. Wenn einem Medienkompetenz von den Eltern richtig mitgegeben wird, dann erst recht. Denn jeder reift anders und wenn ein 15-jähriger eben bereits gerne Dark Romance liest und das auch verträgt und einordnen kann, dann braucht es die Altergrenze nicht. Das Verbotene würde es vermutlich sogar beinahe verlockender machen und zwar auch für die falschen Personen.