Belana_st Der zweite Teil ist mir nun doch viel näher gegangen. Der Druck, gewisse Erwartungen zu erfüllen wird grösser, die Frauen sind zusehends verwirrter. Und ich bin es auch als Leserin. Selbst der Doktor zerbricht langsam an der Last, vielleicht falsch gehandelt zu haben. Bis zum Schluss bin ich mir nicht sicher, ob Cléo und die Ich-Erzählerin identisch sind. Oder soll vielleicht sogar die Tänzerin des Moulin Rouge, Jane Avril, selbst damit gemeint sein.
Die Stimmung in der psychiatrischen Einrichtung fand ich aber nach wie vor hervorragend geschildert. Durch diese kurzen Skizzen der Ich-Erzählerin entsteht viel Spannung und Atmosphäre. Es vermittelt nur ein Gefühl, nichts wird erklärt und nichts gewertet.
Wie viel Tiefgang und Erkenntnisse hat dieses Buch für euch? – Für mich liegt, wie gesagt, alles in der Stimmung. Sie ist sehr beeindruckend. Wieviel Erkenntnisse ich daraus ziehe, liegt an mir. Es werden einige Namen und Begriffe genannt, aber ohne Hintergrund. Diese kann ich nachschauen oder auch nicht. Die Wirkung bleibt so oder so intensiv finde ich.
Was denkt ihr, ist die Kernaussage des Buches? Was will uns der Autor Alexander Kamber weitergeben? – Ich bin mir nicht sicher, es ist offen für viele Gedanken. Der Autor befasst sich mit Kulturgeschichte und in diesem Büchlein zeichnet er ein Bild der Psychiatrie Ende des 19. Jahrhunderts und der Situation der Frauen, die sich nicht entsprechend ihrer Rolle verhielten. Damals herrschte die Meinung, eine Frau sei erst vollständig durch den Mann, die Mutterschaft, die Kinder. Aber diese Frauen waren schon vollständig, sie brauchten keine Ergänzung, und sie spürten das.
Findet ihr, dieses Tagebuch ist ein gutes Werk, welches das Zeitgeschehen von damals aufzeigt? – Ja. Ein Tagebuch, auch fiktiv, ist sicher ein gutes Mittel um Zeitgeschehen lebensnah zu vermitteln. In diesem Falle zeigt es aber weniger direkte Zeitgeschichte, sondern eben mehr die Stimmung. Die kurzen fragmentarischen Anmerkungen und Gedanken machen es noch intensiver.
Mich hat dieses ‘Büchlein’ auf jeden Fall sehr beeindruckt. Es bringt zum Nachdenken und man kann es sicher immer wieder lesen und neues darin sehen. Das ist ein wertvoller Punkt, das kann man nicht von jedem Buch sagen. Für die Rezension brauche ich noch Zeit, ich bewundere all diejenigen, die das schon so schnell geschafft haben …