DrQuinzel
Ich fand den Perspektivwechsel super. Zuerst konnten wir schön in die eine Seite eintauchen, die Gefühle und Gedanken von Bea lesen und anschliessend die andere Seite, die Seite von Niklas entdecken.
Einige der Mitleser waren sehr genervt von Bea und beschrieben sie als egozentrisch. Ich empfand vor allem die unklare Situation auf den normalen Alltag so drückend, das Leben geht ja immer weiter. Vielleicht war das für mich so dominant, dass ich erst über die Eindrücke der Mitleser dann nochmal reflektierte und sah, wie selbstbezogen oder mitunter auch unflexibel Bea sein kann.
Jetzt, wo ich die Seite von Niklas gelesen habe frage ich mich, wie oft hat er ihr wohl seine Gefühle und Gedanken offen ausgelegt. Wie oft hat er sich zurückgenommen und war das wirklich nötig, dass er so oft nachgibt und sich unterordnet? Man meint es vielleicht gut und will den Partner nicht belasten. Oder man sieht, wie Bea sowieso mit so einigem zu kämpfen hatte, da wollte Niklas dann wohl nicht auf Konfrontationskurs geben oder auch noch mit seinen Herausforderungen und Problemen kommen.
Mit jeder Entscheidung, dem Kauf von Eigenheim, Kindern kommen neue Verpflichtungen, wo man nicht mal eben einen Wechsel vollziehen kann ohne dass es einschneidende Veränderungen verlangt. Und so verschieben sie diese doch so wichtigen Klärungen und Gelegenheiten zum Austausch immer wieder und die Jahre ziehen dahin. Es kommt ja immer wieder etwas dazwischen, Kinder, der Alltag, der Beruf. Aber viele kleine Dinge können sich über die Jahre eben doch aufkumulieren. Und so lebt man sich in Rollen ein, die einen dann schier erdrücken können. Und genau da müsste man doch einsetzen, sich immer mal wieder hinsetzen und in sich hineinspüren und ehrlich zu sich und dem Partner sein.
Mir scheint, Niklas befand sich dann irgendwann an einem Punkt, wo er einfach nicht mehr konnte, weil er zu lange gewartet hat, zu wenig auf sich gehört hat, sich so oft zurückgenommen hat, dass er sich dann gar nicht mehr gespürt hat und dann kommt jemand daher, und es scheint alles plötzlich einfacher, leichter, positiver, besser (?) und vor allem: machbar.
Dass Niklas so gar nicht in Balance mit sich war, kam im Dialog mit sich über “Will er jetzt dies oder jenes?”.
Ein guter Vater sein, der Ehemann sein, den seine doch Frau verdient oder doch spontan diese Runde drehen, die dann doch wieder nur auf seine Knie gehen? Aber was ist diese “Runde” für ihn, oder gibt es nicht auch etwas anderes, wo er auftanken kann und wo er seine kleinen Inselchen haben kann, seine Me-time durchsetzen kann, die er doch auch braucht?
Eltern sein, eine Beziehung leben bringt nicht nur die Gemeinschaft, die Familie, sie hat auch Verantwortung und manchmal auch nicht so tolle Seiten (streiten, konfrontieren, erziehen, wo es mühsam ist). Luft für sich selbst muss man sich manchmal halt nehmen, um sich auch echten Raum für die eigene Entwicklung zu schaffen, um sich reflektieren, um auf die Jahre oder auch nur mal auf den näheren Alltag zurückzublicken und wenn es Anpassung braucht, dies dann halt auch mutig anzugehen.
Was mir auch noch aufgefallen, wie unterschiedlich die beiden die Beziehung zu Niklas Eltern empfinden. Für Bea ist es die ersehnte Wärme, die Geborgenheit, das Beständige. Niklas scheint mir für seine Gedanken, Entscheidungen und Ansichten eher kritisiert zu werden. Er hat sich auch hier nie wirklich abgenabelt oder ist für sich selbst eingestanden. Er spürt zwar die Sehnsucht, den Ruf nach Freiheit (die Laufrunden, die Reise, mal was anderes machen) aber ergibt sich verantwortungsbewusst dem vorgegebenen Pfad, den er halt eben eingeschlagen hat, weil man das halt so macht. Wie traurig. Kein Wunder geht da jegliche Freude und Energie flöten.
Und manchmal nach vielen Momenten wo man sich dann wieder auf den Weg zurück begibt ist dann plötzlich der Moment da, der das Fass zum Überlaufen bringt, der das Zünglein an der Waage ist, der einen endlich aus der so lange gelebten Lethargie herausbringt und einen so etwas wie Zuversicht in eine bessere Zukunft spüren lässt.
Bleibe gespannt auf den letzten Teil….
