Ich habe den zweiten Abschnitt nun beendet und es haben sich einige Gedanken gesammelt, über die ich mich gerne mit euch austauschen möchte. ☺
Das Camp erinnert mich irgendwie auf eine makabere Art an eine Massenabfertigungshalle… Wie alle auf diesem Gelände zusammengepfercht werden und irgendwelche Berechnungen von künstlichen Intelligenzen entscheiden, wer wann neben wen gesetzt wird und welche Persönlichkeiten am besten zueinander passen, um am Ende möglichst pragmatisch und rechnerisch die “besten” Paare zusammenzubringen… Eine Welt, in der eine Beziehung etwas ist, dass man dem Staat leisten muss, etwas, dass mit Zahlen und Frequenzen bestimmt wird und nicht durch romantische Gefühle… Natürlich in einer luxuriösen Umgebung, wo man sich als TeilnehmerIn gesehen und wichtig fühlen soll, und die die extreme Kontrolle mit ihrem Glanz etwas verwässert.
Ich habe mir ein paar Stellen markiert, unter anderem folgende:
“Besorgen wir dir endlich was zu trinken, oder wollen wir erst alle Sprüche erörtern, mit denen mein Bruder mir in den letzten Jahren zu verstehen gegeben hat, dass er mich nicht sonderlich mag? In ihren Augen findet sich nicht das geringste Anzeichen von Enttäuschung, Schmerz oder gar Wut über die Ablehnung ihres Bruders. Da ist nur ein neckendes Leuchten (…). Falsch, wispert etwas in mir. Richtig, kontere ich in dem Wissen, dass es genau so sein sollte, wenn die VeriTab wirklich wirkt.”
=> Diese Stelle hat mich besonders berührt, da ich der Meinung bin, Therese (und alle anderen Menschen) werden Gefühle geraubt, auf die sie Anrecht haben, und von denen sie mindestens selbst entscheiden dürfen müssen, ob sie sie fühlen oder betäuben wollen. Diese Empfindungen gehören ihr, und es kann doch kein erfülltes Leben sein, sie nicht zu empfinden. Wie sollen Menschen gute Momente wirklich geniessen und erkennen können, wenn es keine schlechten in ihren Leben gibt? Und wie sollen sie die guten Momente schätzen, wenn sie die schlechten gar nie kennengelernt haben?
“Ich zweifle. Nicht einmal Veritas weiss, wie ich damit umgehen soll. Natürlich nicht, denke ich zynisch. Veritas ist der Grund, warum es keine Zweifel mehr gibt, warum ich jedes Wort in dieser Welt glauben muss.”
=> Ich frage mich, wie sich das anfühlen muss, wenn man sich auf jedes Wort verlassen kann, das jemand sagt. Und damit verbunden, dass nicht einmal die intimsten Gedanken wirklich einem selbst gehören, sobald man nach ihnen gefragt wird. Zum einen werden einem die privatesten Gedanken gestohlen, zum anderen wird man aber ja auch gezwungen, Menschen, die man liebt, mit Wahrheiten zu verletzen, die man ihnen eigentlich gar nicht kommunizieren will…
Die Projektionen erinnerten mich vage an Divergent - aber mit genügend Unterschieden, dass es nicht kopiert auf mich wirkte.
Auffällig war für mich auch, dass die Brettspiele alle irgendetwas mit Liar im Namen hatten. Wird den Menschen das “Feindbild Liar” wohl von Kind auf in - mehr oder weniger subtiler - Weise eingetrichtert?
Und noch eine Frage: Wie wirkt das Verhalten von Aiden auf euch? Im Gesamtzusammenhang gesehen empfinde ich sein Verhalten nicht als so toxisch, wie ich es in unserer realen Welt einstufen würde respektive Therese es nennt…🤔
Worauf ich im letzten Teil am meisten gespannt bin, ist natürlich die Frage, ob Grayson Mae die Wahrheit anvertraut. Das war ja schon ein starkes Stück, dass es ihm scheinbar möglich ist zu lügen, in einer Welt, in der Ehrlichkeit das höchste Gut ist… Wie er das wohl anstellt? Wirken die VeriTabs bei ihm wohl einfach noch weniger als bei Mae resp. gar nicht, oder nimmt er vielleicht bewusst ein Gegenmittel ein? Fragen über Fragen, die mich sehr neugierig auf den letzten Abschnitt machen.😊