Bei seiner “Reise nach Innen” wird man deshalb vermutlich nie genau wissen, mit welchem Bild er genau was meint - aber wer weiss das schon, und “what’s in”, das überhaupt wissen zu wollen? Die Schönheit des Buches - und dazu passt der schillernde Einband ganz gut - besteht wohl darin die MikroHubbel der welligen Sätze allein in ihrer, die Selbstreflexion anstachelnden Natur zu belassen, ohne sie über die Logik zu brechen. Das Buch ist damit nicht einfach eine Erzählung, sondern eine beinahe schon haptische Erfahrung, die genau wegen der innewohnenen Unschlüssigkeit wohl immer wieder von Neuem reflektiert und neu interpretiert werden kann. Und wie ein roter Faden zieht sich die Frage durch das Buch: wtf ist eigentlich “Wirklichkeit?” bei welcher sich nur die Veränderbarkeit der Mauern als Konstante hält: sei es als Uebergang von Leben und Tod, Wachsein und Schlaf, Traum und Wirklichkeit, als Balken vor unserem Kopf, Spaltung über religiöse und kulturelle Normen, in Corsagen eingezwängte Brüste, Oeffnungszeiten, musikalischer Geschmack und der Polarität vieler weiterer Objekten, die frei zwischen der mikroskopischen und der allumfassenden makroskopischen Betrachtungsebene oszillieren.
Vom “Esoterischen” mal abgesehen, fand ich die Schilderung des reduziert erwartugnsfreien, sanft-selbst-genügsamen, achtsamen (wie kann man über Schneeschaufeln zwei Seiten füllen?) Lebens in Endlosschalufe, sowohl im abgeschiedenen japanischen Berg-Kaff als auch in der fiktiven Einhörnerstadt, so spannend, wie für mich persönlich unattraktiv. So monoton wie die Oertlichkeiten so schablonenhaft einfach schienen mir auch die Charaktere, vor allem diejenige der Frauen. Ob bewusste gewähltes Stilmittel um den Charakter der Story zu unterstreichen oder grundsätzlicher Stil des Schreibens mag sich mir gerade nicht erschliessen. Aber genau diese Sprödheit bildet den unfaufgeregten Rahmen in denen die kruden Einfälle des Autors umso strahlender glänzen: Die Einhörner, die Uhren ohne Zeiger, die Personen ohne Namen, Der Mann im Wickelrock, Yellow Submarine, die Corsage gegen Unerwünschtes, …
Fazit: Wer schon einmal selbst auf der “Reise nach Innen” war, Osho kennt und mit “Heilen” was anfangen kann, hat wohl nicht nur definitiv mehr von diesem Buch, sondern wird auch verstehen, warum Murakami 40 Erfahrungsjahre der Reife zuwarten musste, um diese Geschiche endlich in einem grossartigen Werk zu Ende zu bringen, und nun mit sich fein sein dürfte, diesem Ende nichts mehr hinzufügen zu müssen, weil es genau so perfekt ist, und das macht, was es soll: verzaubern!