DrQuinzel Hello hello 👋 (auch) mich hat der zweite Abschnitt weniger begeistert als der Erste. Der Schreibstil ist zwar immer noch schnell zu lesen, jedoch erschien mir die Story hier eher unstrukturiert, oftmals unlogisch und ja, alles ging zu einfach und glatt, für mich persönlich ist damit die Spannung die im ersten Leseabschnitt mehr vorhanden war, relativ verloren gegangen. 😅
Am Anfang ist mir aufgefallen, dass Jack ihre Gefühle immer gleich beschreibt - sie kann nicht weinen, obwohl ihr die Situation sehr nahe geht. Hier hätte ich mir etwas mehr Abwechslung gewünscht. Ich finde, dass ihre Trauer sehr monoton beschrieben wird, obwohl wahrscheinlich unglaublich viel in ihr vorgeht. Das ist wahrscheinlich auch das Schwierige an dem einfachen Schreibstil, ich finde vieles wiederholt sich oder wird gleich umschrieben.
Und dann lief bei ihrem „Plan“ wirklich alles viel zu glatt. Angefangen mit ihrer Verkleidung am Bahnhof - kurze Haare mit der Büroschere geschnitten, Sonnenbrille, Trenchcoat, falscher Babybauch, Rucksack - als ich das gelesen habe, hatte ich zunächst ein anderes Bild im Kopf als das einer „edel gekleideten, reichen Blondine“, mit der das Kostüm im nächsten Atemzug beschrieben wird. Das fände ich auffällig, aber gut, das kann man noch durchgehen lassen. Aber bitte, diese Flucht vor Malik und Jeff. Ich meine, sie stolpert, verheddert sich im Maschendrahtzaun, aber die Polizei kann sie nicht einholen?! Dann taucht Superwoman wieder auf, sie schafft es sich zu befreien und rennt durch die Dünen, während die Polizei nur im Nebel herumstochert, come on. Und dieser Bunker - es ist ja noch ganz interessant, wie sie es schafft, das Zahlenschloss zu knacken, aber wie schnell die Polizei bzw. Malik und Jeff von dem Bunker ablassen. „Moment mal, was ist das für ein Gebäude? Meinst du, sie ist hier drin?“, ja, das ist eigentlich die einzige oder zumindest eine sehr gute Möglichkeit, also sollte man es doch in Betracht ziehen. Da suchen sie wie verrückt nach ihr, orten ihr Handy (Überraschung, es war also doch möglich), fahren im Nebel raus zum Versteck, wollen sie unbedingt erwischen und geben dann innerhalb von 2 Sekunden vor dem Bunker auf?
Und was wirklich zu perfekt lief, war die ganze Sache mit der Versicherung: Ich brauche ein Bild von einem Dienstausweis, aber heutzutage achten die Firmen eigentlich darauf, dass man diese nicht sieht… Ach, was für ein Zufall, das erste Bild, das ich finde, ist gleich eines von einem Mitarbeiter, der seinen Ausweis in die Kamera hält, die Angestellten geben mir alle Infos über ihr Privatleben, die ich brauche, der Security-Mann lässt sie sofort durch, alle Passwörter, die sie braucht, sind fein säuberlich notiert oder werden ihr gleich telefonisch durchgegeben, sie muss erst flüchten, als sie alle relevanten Infos gefunden hat, sie erwischt gerade noch den Zug am Bahnhof, schafft es unbemerkt wieder raus, obwohl dieser eigentlich ziemlich voll ist und sie sich noch kurz Sorgen gemacht hat, dass ihr Telefonat mitgehört werden könnte. Jake hat einfach viel mehr Glück als Verstand. Es sieht nicht so aus, als ob sie in einer Mission Impossible Story besonders schlau handelt, sondern es gibt einfach sehr viele sehr gute Zufälle zu ihren Gunsten. Es kann ja sein, dass ein paar Sachen klappen und zusammenspielen, sonst gäbe es in Büchern viel seltener ein Happy End, aber einfach alles?!? Also ein paar Hürden, Anfangsschwierigkeiten oder Probleme hätten der Geschichte sicher gut getan. Denn sonst, finde ich, fiebert man irgendwann nicht mehr so mit der Protagonistin mit, weil man das Gefühl hat, es kann sowieso nichts schiefgehen. 🙈
Außerdem hat mir irgendwie ihr Plan gefehlt, den hat sie natürlich noch nicht gehabt, als sie vor der Polizei geflohen ist, das war alles sehr überstürzt, aber dann so langsam hätte man sich das überlegen können, aber das passiert nicht wirklich, sondern der Plan sind viele kleine Zufälle, Situationen, die ohne ihren Einfluss passieren und auf die sie einfach reagiert, alles passiert mehr um sie herum, als dass sie eingreift, aber irgendwie läuft es so besser, als wenn man sich wahrscheinlich einen richtigen Plan ausdenken würde. Zuerst besteht der Plan nur aus der Flucht und beschäftigt sich nicht im Geringsten damit, wie man den Täter fangen könnte. Dann sind wir in der Hütte, es ist super kalt und der Handyakku ist leer, Jack fängt an ein Taschenbuch zu lesen, das sie dort findet - wahrscheinlich weiß unsere Protagonistin, dass sie gar nicht so viel tun muss, sondern die Autorin alles für sie lenkt und wartet mit uns, was als nächstes passiert. Aha, Cole kommt also und unser Thriller wird nun zu einem Rätselraten über den möglichen Täter auf der Coach. Es kommt zu einem inneren Dialog mit Gabe, wo sie dann bei der naheliegendsten, ach nein, sorry Gabe stellt immer die kniffligsten Fragen, also wo ihr bei der Frage „was ist dein unmittelbares Ziel“ endlich der nächste Schritt einfällt - die Versicherung ist der Schlüssel bzw. das Thema, das sie nun verfolgen möchte.
Ja, es läuft alles irgendwie zusammen und dann funktioniert es auch, aber ich hätte es schöner gefunden, wenn es so einen leichten roten Faden gegeben hätte oder zumindest Überlegungen zu einem weiterführenden Plan, der auch durch Flucht oder unkontrollierbare Situationen geändert werden kann / muss, aber wenn eine Geschichte schon aus der Ich-Perspektive erzählt wird, schafft das viel Potential, dass man als Leser wirklich in die längerfristigen Überlegungen des Protagonisten hineingezogen wird, das fehlt mir hier. 🙌
Dann möchte ich noch auf etwas eingehen, was mir schon beim ersten Lesen aufgefallen ist und mich geärgert hat haha, dieser ständige innere Dialog à la „ich sollte nicht, das ist keine gute Idee, aber ich mache es doch“: bei der Kommunikation mit Hel auf S.181 „Weil sie hofften, ich würde antworten und meinen Standort verraten“, auf S.191 „Ohne darüber nachzudenken, dass ich womöglich einen schrecklichen Fehler machte…“, S.217 „Was ich hier mache, war definitiv unvernünftig“, dann bei der Zugszene auf S.260 „Mit dem Gefühl, etwas unglaublich Dummes zu tun, sprang ich.“ - kann man ja mal denken, aber dieser immer gleiche Gedankengang kommt mir einfach zu häufig vor. 🤷♀️
Außerdem fehlt mir noch die Dimensionalität der Figuren. Dadurch sind sie einfach nicht so greifbar und ihre Handlungen gehen mir nicht so nahe. Okay, Cole steckt mittendrin, aber das fand ich nicht besonders überraschend, erhellend oder ähnliches, weil ich nicht das Gefühl habe, Cole wirklich zu kennen, seine Charakterzüge oder Handlungen einschätzen zu können. Er war der beste Freund von Gabe, ist erst hilfsbereit gegenüber Jack, küsst sie dann, ist trotzdem mittendrin in den Machenschaften um Gabes Tod. Okay, das kann ich ihm abnehmen, weil ich den Charakteren viel zutrauen kann, da ich sie nicht wirklich kenne. Das kann natürlich auch nützlich sein, die Personen können fast alles machen, man kann die Figuren so ganz gut biegen, ohne dass der Leser das als unglaubwürdig empfindet, weil er die Personen gar nicht einschätzen kann. Aber es geht auch viel verloren, da es z.B. keine wirkliche Charakterentwicklung gibt/geben kann, ich sehe sie nicht mal wirklich bei Jack. Am Anfang des Kapitels „Minus fünf Tage“ rechtfertigt bzw. beschreibt sie ihr Handeln und ihre Gefühle, welche ich auch recht widersprüchlich fand, allerdings hat mich diese Erklärung nicht wirklich glücklich gemacht, sondern mich ein bisschen an eine alte Klassenarbeit zum Thema kreatives Schreiben in Deutsch erinnert, wo ich am Ende wusste, dass ich beim Schreiben nicht wirklich auf die Satzzeichen geachtet habe und dann im Schlussteil den Satz „Es tut mir leid, dass ich so übereilt schreibe, ohne an Punkt und Komma zu denken“ eingefügt habe und mich damit super clever gefühlt habe haha. Man kann die Handlungen der Figuren nicht im Nachhinein gänzlich erklären, sondern das sollte eigentlich während der Passage schlüssig sein, passend zu den Zügen der Figur. 👥
Es freut mich zu hören, dass das Buch so vielen sehr gut gefällt, auch wenn ich so meine Schwierigkeiten damit habe, aber ich glaube das liegt auch daran, dass ich über die Feiertage sehr viel gelesen habe und Bücher / Krimis verschlungen habe, die ich einfach sehr gut fand, da geht dieses ein wenig unter oder ich bin dadurch einfach etwas kritikfreudiger. Nun bin ich noch gespannt wie der letzte Leseabschnitt also auch das Ende des Buches sein wird, es kann (und wird hoffentlich) noch einiges Unerwartetes passieren! ☺️