DrQuinzel So, auch ich habe das Buch nun ausgelesen… und überlege, was ich hier noch dazu beitragen kann, da ja schon alle, die sich vor mir zum letzten Teil äusserten, irgendwie Recht haben! Zu kritisieren gibt es ja immer etwas, zu erwähnen bzgl. der Längen wäre m.E. auch der merkwürdige Coiffeurbesuch, bei dem Ivy sich die Haare blond färbt, was ansonsten allerdings keine weitere Rolle zu spielen scheint, da kaum jemand gross darauf reagiert, und am Ende ist eh wieder dunkelhaarig. Auch die ausführliche Schilderung ihrer früheren Wanderung mit dem ein zweites Mal geschilderten Ex-Lover Daniel hatte ich zunächst als Füllstoff eingeschätzt. Bis mir später ganz kurz der Gedanken kam, dass der Grund für den Ausflug, den Ivy mit Roux unternehmen wollte, genau auf diesen Gipfel führen könnte und sie ihn dort womöglich loswerden wollte. Aber so, wie die Autorin mich zuvor schon von meiner Ahnung, dass Gideon homosexuell sein könnte, abgebracht hatte, so lenkte sie mich auch in dieser Ausflugsszene geschickt auch von diesem kurz aufgeblitzten Gedanken ab. Indem sie diesen Ausflug ausführlichst schildert, Ivy und Roux sich gefühlsmässig (und physisch) plötzlich wieder sehr nahe kommen lässt, und ich prompt für möglich hielt, dass aus den beiden doch noch ein Paar werden könnte. Und so war ich dann doch total perplex, als Ivy Roux plötzlich doch in die Tiefe schubst. Zumal ein Mord ja nicht gerade das ist, was man mit ‘kleinen Lügen’ assoziiert. (Originellerweise musste Ivy hierzu überhaupt nicht lügen, da sie ja niemand dazu befragte.)
Rückblickend finde ich das Buch inhaltlich ziemlich raffiniert aufgebaut. Ja, Ivy ist keine wirklich durch und durch sympathische Hauptperson, doch wer kann ihr das übelnehmen, angesichts ihrer harten frühkindlichen Erfahrungen? Stark finde ich irgendwie, dass sie diese anfangs so kalt wirkende Familie am Ende als ihren sicheren Halt betrachtet und von ihr letztlich doch so etwas wie Zusammenhalt und Liebe erfährt. Und dass eigentlich alle irgendwie lügen. Denn wer glaubt, dass Gideons Eltern nicht auch ganz genau wissen, was mit ihrem Sohn los ist? Ja, im Nachhinein kann ich den Erfolg dieses Buches irgendwie nachvollziehen. Auch wenn dieser im deutschsprachigen Raum kaum möglich wäre, weil die Zeit der Scheinehen, die Homosexuelle meinen, eingehen zu müssen, wohl vorbei ist. Vermutlich sieht das in weiten Teilen Amerikas jedoch noch ganz anders aus? Wundern würde mich, wenn von diesem Buch, das dort offenbar ein so grosser Erfolg ist, keine Fortsetzung erscheinen sollte.