Ich habe den letzten Teil direkt nach dem zweiten gelesen, weil ich sofort wissen wollte, wie das Buch ausgeht, insofern ist es gut gelungen, mich abzuholen und in die Geschichte eintauchen zu lassen.
Meiner Meinung nach ist es der Autorin ziemlich gut gelungen, das Heiratsdilemma von Helene zu lösen, auch wenn es (wie z.B @NurLivia oben einmal geschrieben hat) schon zuvor Indizien gegeben hat, dass schlussendlich wahrscheinlich Piero Helenes Mann während der Gottharderöffnung sein wird.
Ist es eine einigermassen einfache Lösung der Problematik? Ja.
Passt diese aber zur Tragik des Buchs? Auch ja.
Denn auch der dritte Abschnitt (wie auch die beiden zuvor) lebt von den tragischen Schicksalen der Figuren, sei es Peter, der zuerst von seinem Vater verstossen wird, der dann endlich seine Helene heiraten darf, am Ende aber nicht viel später in einer Lawine ums Leben kommt, Favre, der sein “Lebenswerk” niemals vollständig sehen durfte (das ist tatsächlich so geschehen), Johanna, die nicht nur den Kindesvater, sondern auch ihr Kind verliert und dann auch selbst an der Mineurkrankheit stirbt - einige weitere solche Geschichten werden erzählt.
Allgemein gesagt hat mir das Buch eigentlich gut gefallen, besonders die historischen Aspekte stechen für mich heraus (die Liebesgeschichte ist mir fast ein bisschen zu kitschig, auch wenn sie natürlich als Aufhänger dient). Auch die Beschreibungen der Gegend sind gut gelungen. Ebenso finde ich, dass die Charaktere gut aufgebaut werden - auch wenn manche schon sehr überspitzt dargestellt werden.
Interessant ist für mich auch die Zeitgestaltung der Geschichte. Beginnend bei der Gottharderöffnung im Prolog (1882) und endend im Epilog wieder bei der Gottharderöffnung. Dadurch entsteht ein schöner Bogen zwischen Anfang und Ende, geschickt gelöst, indem die gleiche Szene nochmals neu erzählt wird, nur mit neuem Wissen. Weil die Geschichte selbst ja 1872 beginnt, werden die kommenden 10 Jahre ziemlich schnell behandelt, indem man immer zu bestimmten Zeitpunkten in die Geschichte “springt”. Zu diesen Zeitpunkten erfährt man, was sich in der Zwischenzeit in Göschenen und im Tunnel alles geändert hat und nimmt so die Entwicklung wahr. Das widerspiegelt aus meiner Sicht auch sehr schön die dazumal tatsächliche Lage, nämlich dass Göschenen und der Tunnelbau nicht einfach statisch wahren, sondern sich ziemlich schnell ziemlich stark verändert haben, Göschenen wird - so wie auch der Tunnel selbst - immer grösser, von einem kleinen Dorf zu fast schon einer Kleinstadt. Gegen Ende hin werden die Zeitabstände zwischen den Szenen immer grösser, aber das stört nicht.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich dennoch, dafür würde ich mich gerne @PVA anschliessen: Die Rechtschreibfehler sind mir auch aufgefallen (z.B. Favre wird mehrmals “Fravre” genannt), eine kleine Sache, die dennoch einige Male auftritt und je nach Wort auch den Lesefluss stören kann (besonders gegen Ende schienen mir diese noch öfter aufzutauchen).
Alles in allem ein spannendes Buch, das einem ein für die Schweiz seit 140 Jahren elementares Ereignis näherbringt & dadurch sogar einen gewissen Bildungseffekt mit sich bringt.