Mit etwas Verspätung bin ich nun auch fertig - durch die ersten Seiten musste ich mich regelrecht durchkämpfen, und ehrlich gesagt, wenn ich das Buch nicht in diesem Rahmen erhalten hätte, dann hätte ich es wohl nicht zu Ende gelesen. Die von Euch angesprochene Spannung im Buch kann ich nur bedingt nachvollziehen. Zumindest handlungsmässig ist in dieser Erzählung nicht enorm viel los, da sich alles nur um Akari und ihre Obsession (Fan-Kult) dreht. Und eigentlich weiss/befürchtet man ja schon nach den ersten 20 Seiten, dass die Geschichte nicht wirklich gut enden kann für Akari. Wie vielleicht andere LeserInnen auch, habe ich befürchtet, dass Akari am Ende entweder Suizid begeht, oder an ihrer angedeuteten (?) Magersucht sterben wird. Doch möchte uns die Autorin vielleicht auch glauben lassen, dass die Hoffnung besteht, dass Akari ihr Leben in den Griff kriegen kann, wenn sie doch nur echte Hilfe von aussen erhalten würde.
Zutiefst enttäuscht hat mich die fehlende Untersützung durch die Familie, allen voran durch die Eltern, die entweder durch Abwesenheit und Desinteresse (Vater) oder durch ständige negative Kritik (Mutter) glänzen. Wie von anderen LeserInnen auch angesprochen, hat die Protagonistin durchaus Talent, sich auf eine spezifischen Sache zu fokussieren, wenn es denn ihre Aufmerksamkeit verdient hat.
Erschreckend ist die ausbeuterische Seite dieser Fankultur: die “Idole” sind sowohl Opfer wie auch Täter. Sie werden von den Agenturen zur Vermarktung aufgebaut und müssen ständig präsent und positiv sein. Andererseits fördern sie durch ihre Teilnahme die finanzielle Ausbeutung der Fans, die wie gelesen sehr viel Geld ausgeben, um ihre Idole zu “unterstützen”. Es ist wohl kein Zufall, dass sich diese “Fankultur” vorwiegend an Jugendliche richtet, die eher leichter zu beeinflussen und zu vereinnahmen sind, ähnlich wie das auch vielfach bei der Werbung zu sehen ist?
Die Sprache der Autorin finde ich passend für ein Jugendliche. Sehr feinfühlig, manchmal emotional und manchmal von erschreckender Sachlichkeit, und vielfach tiefgründig und voller Lebensweisheit:
So wie Bettwäsche zerknittert, nur weil jemand darin schläft und wieder aufwacht, hinterlässt das Leben bei einem Menschen Spuren, nur weil er zufällig lebt. (S. 10).
Akari ist sich aber auch ihrer Besunderheit, ihres “Anders-Sein” bewusst:
Ich beginne den Teil von mir zu spüren, der alles daransetzt, meinen Körper zu schinden und auszuhöhlen, den Teil, der sich Leiden und Schmerz aussucht. […] Es kommt mir vor, als müsste ich nur lange genug den Schmerz aushalten und weitermachen, als läge darin meine Daseinsberechtigung. (S. 72).
Und schliesslich noch eine Textstelle, in der sie ihre Beziehung zu ihrem Idol bewusst beschreibt:
Unsere Beziehung wird niemals durch irgendetwas, das wir sagen, enger, sie geht aber auch nicht kaputt, weil ich etwas falsch mache. Die Anwesenheit einer Person auf eine gewisse, immer gleiche Entfernung zu spüren, kann meiner Meinung nach ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. (S. 64).
Vielleicht liegt hier das eigentliche Problem von Akaria, tief verwurzelt in der japanischen Kultur: bloss keine Fehler machen! Wer keine Beziehung zu einem Menschen hat, der kann auch keine Fehler in dieser Beziehung machen, und wird dann auch nicht kritisiert oder bestraft. Und daher vielleicht auch ihr Wunsch, nicht erwachsen zu werden, weil Erwachsene schliesslich (Liebes-)Beziehungen zu anderen Erwachsenen haben (müssen)? Nun, das ist vielleicht jetzt etwas viel interpretiert…
Würde ich das Buch nochmals lesen? Nein. Aber interessant war’s für mich trotzdem, diese (traurige) Geschichte zu lesen, und ich werde das Buch sicher mal innerhalb der Familie weiterreichen…