Es ist wieder Lesezeit Liebt ihr auch die erste und letzte Seite von Romanen? Autoren investieren oft unzählige Stunden in die ersten und letzten Sätze ihrer Werke. Wenn ihr auch so Freude daran habt, schreibt doch den ersten und/oder den letzten Satz Eurer aktuellsten Lektüren hier auf. Wenn ihr zudem Lust habt, diese zu kommentieren, umso schöner. Würde mich über den Austausch freuen. Vielleicht entdecken wir so auch neue Ideen für die nächste Lektüre - das heisst wir müssen daran denken Spoiler zu vermeiden
. Frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr!
Erste und letzte Sätze unserer Weihnachts-Neujahrlektüren
LoveLaughRead Ich bin an Martina Clavadetschers „Die Erfindung des Ungehorsams“. Der erste Satz lautet: „Alles andere wird zur Nebensache“. Ich empfinde es als Einladung an mich als Leserin, den Alltag eine Weile hinter mir zu lassen, eine andere Welt zu betreten und meine ganze Aufmerksamkeit der Lektüre zu schenken. Ein wirklich famoser erster Satz !
Ich bin gespannt auf weitere Wortmeldungen. Einen gemütlichen Lesetag euch allen!
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Zu napoleonischen Zeiten konnte einem Mörder die Todesstrafe erlassen werden, wenn ihm zur Tat der Mistral den Geist verwirrt hatte. (Martin, Mme le Commissaire und die späte Rache)
Da ich nach all den Klassikern wieder einmal eine leichte Lektüre wählen wollte, bin ich an der Mme le Commissaire-Reihe von Pierre Martin, Band 2.
Dieser erste Satz versetzte mich gleich innerlich nach Südfrankreich, wo ich den unerbittlichen Mistral selbst erlebt habe. Die Pinien, die ganze Natur, werden jeweils tagelang durchgeschüttelt und verbogen und dann ist es plötzlich wieder still und sonnig! Ich reise also gerade mental in den Süden.
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Danke für Dein Gesprächsangebot zwischen den Jahren! - Ja, es gibt tatsächlich Sätze, die einen gleich in eine Geschichte hinein saugen - und solche, die einen eher die Stirne runzeln lassen - und ich weiss nicht - nomen est omen? - Ich habe jetzt den ersten Satz meiner diversen (!) Lektüren heraus gepickt, hier mal drei Feedbacks:
- Eveline Hasler, beginnt ihre Geschichte über Mentona Moser ‘Tochter des Geldes’ für mich mit einer ‘nichtssagenden Aussage’ - und so ambivalent empfinde ich auch die Geschichte, Episodensprünge - Lebensbild quasi im Zicksack-Kurs - für mich immer irgendwie nicht ganz glaubwürdig, leere Töne im leeren Raum. Der Eröffnungssatz: Mentonas und Fannys Mutter, eine junge Witwe, nannte sich Freiherrin Moser Sulz-Wart.
- Hanya Yanagihara eröffnet das Monumentalwerk ‘Ein wenig Leben’ mit einem ebenso ‘monumentalen’ Bandwurmsatz: Die elfte Wohnung hatte nur einen einzigen Schrank, aber es gab eine gläserne Schiebetür, die auf einen kleinen Balkon führte, von dem aus er einen Mann im Haus gegenüber sehen konnte, der nur mit T-Shirt und kurzen Hosen bekleidet in Freien sass und eine Zigarette rauchte, obwohl es schon Oktober war Punkt.
- So mühsam wie dieser Einstieg, war auch der Anfang der Geschichte zu bewältigen, dank Leserunde blieb ich drin - die Geschichte nahm später Fahrt auf. Dass Yanagihara eine gute Beobachterin ist und detailreich zu schreiben weiss, bestätigt sich durch die ganze Geschichte. Da es anfangs ein etwas seeehr langatmiges ‘Kulissen-Schieben’ ist, kostet das Einstiegslesen jedoch etwas Überwindung…
- Irmgard Knechtges-Obrechts Lebensbild ‘Clara Schumann - Ein Leben für die Musik’, wird im ‘O-Ton’ eröffnet: Die Ausübung der Kunst ist ja ein grosser Theil meines Ichs, es ist mir die Luft, in der ich athme’. Und diese Eröffnung macht mich nun WIRKLICH Neugierig - WER ist die Frau, die sich so portraitiert?
Betreff Schlusssätze: manche empfinde ich so, dass sich der Kreis quasi schliesst - die Schlange beisst sich wieder in den Schwanz - und es gibt solche, die sind ‘linear’ - starten bei A und enden bei Z. Manche haben zu Beginn ein Fragezeichen und enden mit einem Ausrufezeichen - sozusagen ausgespannt zwischen Sehnsucht/Verheissung und Erfüllung - spannend, was sich zwischen den beiden Sätzen und Buchdeckeln alles abspielt, erschliesst und ereignet!
Schoma Das 2. Beispiel ist recht kreativ finde ich. Den Roman mit der Wohnungsbeschreibung zu starten, lustig
Ich lese im Moment Walfahrt - Über den Wal, die Welt und das Staunen von Oliver Dirr.
Der erste Satz lautet:
“Theresa wollte Orcas sehen, damit ging es los.”
Der letzte Satz:
“Heute glaube ich, dass es nichts Wichtigeres gibt, als sich genau darüber Gedanken zu machen.”
Wünsche euch einen schönen 2. Weihnachtstag
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Ich habe soeben Das Licht von Marokko von Elia Barceló gelesen.
Der erste Satz lautet: Sie hatte schlecht geschlafen, sich im Bett hin und her gewälzt und war immer wieder kurz aufgewacht, voller Angst, abermals in einen dieser beunruhigenden Träume zu fallen, die keine echten Albträume waren und deren Inhalt sie gleich darauf schon wieder vergass.
Der letzte Satz lautet: Er trank den Cognac mit einem Zug aus, ging zur Theke, um zu bezahlen, und trat, ein am Boden zerstörter alter Mann, in die Februarkälte hinaus.
Mit dem ersten Satz war ich hellwach und blieb es während des ganzen Buches. Der erste lange Satz mit Nebensätzen ist charakteristisch für den Schreibstil von Elia Barceló. Mit dem letzten Satz konnte ich wenig anfangen, aber er gleicht so vielen andern letzten Sätzen.
Sheherazade Diesen ersten Satz mag ich persönlich sehr. Die Hauptsache steht unbenannt im Zentrum, wird so quasi durch die Nebensachen definiert. Klingt interessant. Notiere mir gern den Buchtitel!
Schoma Mentonas und Fannys Mutter, eine junge Witwe, nannte sich Freiherrin Moser Sulz-Wart.
Ohne die Geschichte zu kennen, ist dieser Anfangssatz etwas eigenartig. Aber nachdem ich das Buch gelesen habe, finde ich ihn äusserst treffend, weil er das Wesen der Mutter widerspiegelt, das in Mentonas Leben eine wesentliche Rolle spielte.
N-A “Theresa wollte Orcas sehen, damit ging es los.”
Oh, was geht denn los ? Der Satz macht neugierig!
Das hat mich auch neugierig gemacht. Und da ich Wale faszinierende und wunderbare Tiere finde, war klar, dass ich das Buch lesen möchte
Den ersten Satz meines Dezember Challengebuches (Unter dem Himmel Australiens) lautete: “Mädchen, trödele nicht rum”! und der letzte lautete: “Vor ihnen lag der Pfad der roten Träume und sie beschritten ihn ohne Furcht.” Im Nachhinein fällt mir auf wie treffend diese beiden Sätze für das Buch waren. Der erste Satz war der Start zu einer abenteuerlichen Reise mit vielen Hindernissen und Herausforderungen für das Mädchen. Der Schlusssatz war dann so etwas wie das Schliessen eines Kreises.
Bei meinem Novemberbuch (Mexikanischer Tango) lautet: “In dem Jahr damals hat sich in Mexiko allerhand ereignet.” Dieser Satz machte mich extrem neugierig und bis jetzt ist es wirklich so, dass bereits sehr viel geschehen ist. Doch das ist auch gerade alles. Das Buch liest sich leider nicht so leicht, sondern eher zähflüssig. Ich hoffe es ändert sich noch bis zum Schluss.
Ich mag hauptsächlich das allerletzte Wort. Das schaue ich mir manchmal an.
Bei “Peter und die Sternenfänger” finde ich den letzten Satz sehr ankommend (wenn ich das so sagen kann). 1. Satz: Die müde alte Kutsche, gezogen von zwei müden alten Pferden, ratterte über den Kai. Letzter Satz: “Genau da bin ich”, sagte er, “im Niemalsland.” Es ist nur Schade, dass es in dieser Übersetzung Niemalsland heisst. Ich kenne es sonst als Nimmerland und finde den Begriff ästhetischer. Bei Nimmerland schwingt das verwunschene, abenteuerliche, geheimnisvolle mit. Niemalsland hört sich so nüchtern an.
Bei “Meteor” 1. Satz: An diesem gottverlassenen Ort gab es viele Möglichkeiten, zu Tode zu kommen. Letzter Satz: Unbeeindruckt zog das Geschöpf seiner Wege. Eigentlich ein geiler letzter Satz, fällt mir nun auf.
Sheherazade Dass der Eröffnungssatz ein Verständnisschlüssel für das ganze Buch sein kann, bzw. ist, macht durchaus Sinn - nur muss ich in diesem (Buch)Fall anscheinend zunächst die ganze Geschichte lesen, um zu dieser These zu kommen…
- Es ist somit ein zusammenfassender Abschlusssatz, der das Buch eröffnet? - Da stimme ich Dir (wieder) zu:
Ohne die Geschichte zu kennen, ist dieser Anfangssatz etwas eigenartig.
…finde ich nachwievor…
Schoma Es ist somit ein zusammenfassender Abschlusssatz, der das Buch eröffnet?
Oder eine Ankündigung, auf das, was uns im Buch erwartet .
LoveLaughRead Was für eine tolle Idee. Die Sätze meiner akutellen Lektüre haben mich tatsächlich sehr berührt.
Erster Satz: “Ich habe schon immer die Fähigkeit mancher Menschen zum Vergessen beneidet, für die die Vergangenheit wie Winterkleidung oder ein Paar alter Schuhe ist - man muss sie nur ganz hinten in den Kleiderschrank verbannen, damit sie nicht auf leisen Sohlen zurückkommen können.”
Letzer Satz: “Hand in Hand standen wir dort und sahen zu, wie eine überwältigende Masse blutroter Wolken den Himmel verdüsterte und ich weinte vor Glück.”
Buch: Der Friedhof der vergessenen Bücher von Carlos Ruiz Zafon - Erzählungen
ENIF überwältigende Masse blutroter Wolken den Himmel verdüsterte
Diesen Band kenne ich (noch) nicht. Aber wenn die Stimmung der Geschichte den anderen aus der Serie ähnelt, ist das bestimmt ein perfekter Schlusssatz !
ENIF Unglaublich, die Metaphern beinhalten bereits 2 Kurzgeschichten, wenn man beginnt diese zu interpretieren. Dieses Buch kenne ich noch nicht. Spontan würde ich auf die Themen Schuld (blutrot), Vergebung und natürlich Vergessen tippen. Klingt spannend!
ENIF Oder schwingt da Liebe, Rache und Zorn mit in diesem roten, verdüsterten Himmel…?
Sheherazade …leider hat es mir nichts angekündigt… Aber danke, für Deinen Input - vielleicht muss ich tatsächlich weniger mit festgefahrenen Schablonen an solche Sätze - und sie mal offen statt bewertend nehmen - vielleicht habe ich mit meiner Anfangsmeinung die Türe zum Knarzen gebracht, so dass ich nicht recht in die Geschichte kam…