Auch mich hinterlässt die Lektüre zwiegespalten. Es ist sicherlich kein Krimi im klassischen Sinn; nichtsdestotrotz ist der Roman sehr lesenswert. Der Titel “Samson und Nadjeschda” ist allerdings insofern irreführend, als Nadjeschda kaum eine Rolle spielt; Samson ist der einzige Protagonist. Mich hat das nicht gestört, denn ich habe mir nicht wirklich etwas von Nadjeschda erhofft; sie verkörpert die linientreue Stalinistin, die ohne mit der Wimper zu zucken Opfer der kämpfenden Soldaten für die “glorreiche Revolution” erwartet, sich aber im gleichen Atemzug freut, dass ihr Zimmer bei Samson sehr gross ist, also mehr ist, als dass was der gewöhnliche “Genosse” zur Verfügung hat. Bei dieser Szene musste ich sofort an Mattea Meyer, Co-Präsidentin der schw. SP, denken, die anfangs 2022 in der “Arena” laut forderte, die Schweiz müsse so viele (ukrainische) Flüchtlinge aufnehmen wie irgend möglich, sie selbst könne aber niemanden beherbergen, da sie (Zitat) “nur in einer 4.5-Zimmer-Wohnung lebe”.
Sympathisch ist mir hingegen der freundliche Augenarzt, der Samson zu Beginn der Geschichte verarztet und die Situation in der Ukraine folgendermassen beschreibt: “Es gibt die bolschewistische Ordnung, es gibt die anarchistische von diesem Machno und es gibt die weiße, denikinsche. Sie stehen alle auf keinem Papier und ändern sich wie das Wetter in England. Nichts hat Bestand.”
Alles in allem hat mir die Geschichte gefallen, auch wenn ich mich bis zuletzt nicht an die Sprache des Autoren gewöhnen konnte. Für meinen Geschmack verwendet er zu viele Nomen, wodurch sich die Sätze oftmals etwas holprig lesen. Ob ich die Fortsetzung lesen werde, behalte ich mir zur Zeit noch offen; zu viele Perlen warten auf meinem SuB. Aber schon jetzt ein grosses Dankeschön, dass ich bei “Samson und Nadjeschda” dabei sein durfte! Ich wünsche allen ein schönes und vor allem friedliches (Lese)Wochenende.