Das Buch hat mich nun total eingesogen ich kann kaum zur Seite legen. Die Zeitsprünge stellen für mich keine Verwirrung mehr dar und gestaltet das Lesen als abwechslungsreich. Die Geschichte blättert sich so langsam Schritt für Schritt auf. Mal von Vorne, mal von Hinten. Es sind wie kleine Mosaiksteinchen die Kapitel für Kapitel hinzugefügt werden und ein grosses Bild ergeben.
Anna ist für mich ein bisschen fassbarer geworden, aber es ist immer noch ein Kratzen an der Oberfläche, die Tiefe fehlt mir. Wie lebt sie in ihrer Familie? Ich wünschte mir mehr über ihren Glauben erfahren zu dürfen.
Dafür wurde Nick für mich sehr greifbar. Er mag nicht anecken, wünscht sich immer Harmonie und kann seine Gefühle nicht richtig in Worte packen. Seine „Gegenspielerin“ ist Tilly, die ihn triggert und herausfordert. Ich finde Tilly teilweise anstrengend, da sie mir leicht überzeichnet scheint, aber das soll wohl so sein. Denn eigentlich mag ich starke Frauen in Romanen. Würde Anna aus ihrem engen Garten ausbrechen wäre sie eine Art Tilly und das finde ich interessant, dass die Brüder den selben Typ von Frauen präferieren. Also Frauen die lodern und für ihre Werte einstehen, Frauen die anecken und die Meinung sagen. Die Mutter war ja eher unterwürfig, aber vielleicht suchen sie sich auch deswegen diesen Frauentyp aus, weil sie nicht mit ansehen konnten wie der Vater über die Mutter herrschte.
Ein Satz von Laura trifft es für mich genau: „Es sind die Frauen, die Regeln brechen. Die machen, was sie wollen, und damit durchkommen.“ Ich denke Nick wäre gerne wie Tilly und bewundert sie auch insgeheim, aber er kann nicht aus seiner Rolle. Seine Rolle ist die des grossen Bruders, der beschützt und den Friedensstifter spielt. Sal hat ja bereits die Rolle des Rebellen angenommen.
Traurig finde ich die Beziehung von Nick und Laura. Laura spielt nur die zweite Geige und ich hoffe sie bleibt nicht bei Nick. Es liest sich wie eine Beziehung, die lasch wie kalter Kaffee, ist. Laura ist nett und himmelt Nick an, aus meiner Sicht ein Todesstoss für eine Partnerschaft. Nick brennt immer noch für Anna, vielleicht weil die Beiden so ähnlich sind. Weil Beide nicht ausbrechen können und so leben wie es eigentlich für sie bestimmt wäre. Nick wäre gerne Schriftsteller aber dümpelt in irgendwelchen langweiligen Jobs herum. Er kämpft nicht für seine Werte und seine grosse Liebe. Dasselbe ist bei Anna. Tilly hingegen macht was ihr Spass macht. Und Sal trägt immer noch die Schuld des Unfalls auf seinem Gewissen, deshalb sucht er sich auch eine Partnerin wie Tilly die ihn immer wieder verletzt, damit er sich überhaupt spüren kann.
Wirklich ein vielschichtiges Buch.