…leider ist das Büchlein, das ich zum Schluss dieses Monats gelesen habe, nicht mehr im Sortiment… So lasse ich hier einen kleinen Einblick folgen:
Péter Farkas: Acht Minuten - erzählt den Alltag eines dementen Ehepaares, das noch alleine in der Wohnung lebt - jeder in seiner Welt - und doch irgendwie zugewandt und voll Mitgefühl füreinander.
Es ist eine aufwühlende Lektüre - keine leichte Kost - verstörend - mitunter beängstigend - und doch hat es auch einen liebevollen, fast poetischen Klang:
Vor allem der alte Mann (es fallen keine Namen) scheint noch nicht so weit abgedriftet zu sein wie die alte Frau und noch der Reflexion fähig. Er ist es auch, der auf die alte Frau acht gibt, das Frühstück bereitet, den Tagesablauf bestimmt.
In einer stillen Selbstverständlichkeit, beklemmend, ohne Aufregung wird der Verlust und die neue Realität als Jetzt-Dimension beschrieben:
Der alten Frau war die Erinnerung einfach weggeblieben. Als leerte jemand eine Requisitenkammer im Theater. Langsam verschwanden die Kostüme, die Kulissen, Dekorationen und die sonstigen Versatzstücke.
Dass sie dabei aber des Erlebens nicht verlustig geht, davon wird ebenfalls erzählt - es hat einfach eine andere flüchtige Qualität…
Als die alte Frau unruhig wird, achtet der alte Mann darauf, dass in den Nächten dieser Tage überall genügend Licht brannte, denn die alte Frau blieb stehen, wenn sie ins Dunkle trat,
Er versucht, die Frau zu verstehen - und auch sich selbst. Er versucht einzuordnen und kommt zu der Einsicht, dass die andern sie beide als ‘dement’ bezeichnen würden, sie als Idioten wahr nähmen. - Dabei würden sie einfach ihre Erfahrung nicht verstehen - und er stört sich nicht weiter daran, denn dank der neuen Einschätzung wird er auch nicht (mehr) behelligt - von ihm wird nichts mehr erwartet, das er auch gar nicht tun möchte, weil er nicht (mehr) versteht, was es denn für einen Sinn machen würde…
Letztendlich weist er auch den Postboten an der Tür ab, weil K. (wohl er selber) nicht mehr hier wohnt und gibt den Stapel an Briefen zurück, weil er nicht fremde Post hüten will…
Ich fragte mich immer wieder, wie Farkas wohl zu diesem ‘empathischen Innenblick’ kommt? Und wie er ihn in Poesie zu verwandeln vermochte…
Irgendwie bin ich noch unschlüssig, wie ich das Thema ‘Demenz’ nun einordnen soll. Nach der Lektüre hat man das Gefühl, dass es für den Betreffenden einfach eine andere Form von Normalität und Existenz ist, die nicht weiter berührt, weil sie auch nicht reflektiv mit der andern/früheren Existenz verglichen werden kann… Und das deckt sich durchaus mit meinen Erfahrungen: In dem Moment, wo ‘die Schwelle’ überschritten ist, man ‘nur noch’ im Vergessen ist, macht sich bei den meisten, die nicht unter Ängsten und Traumen leiden, eine Zufriedenheit breit, Unruhe kommt in Wellen - und vergeht in Wellen… - Vielleicht ist es für die Aussenstehenden schwieriger als für die Menschen selbst?
Es ist jedenfalls eine nachdenklich stimmende Lektüre!