Deborah Feldman, die in «Unorthodox» ihren Ausbruch aus einer ultraorthodoxen chassidischen Gemeinde in New York und in «Überbitten» ihren Versuch, in der profanen amerikanischen Gegenwart anzukommen beschrieben hat, versucht in «Judenfetisch» der jüdischen Identität nachzuspüren. In Berlin angekommen muss sie erkennen, wie viel Verschiedenes «Jüdisch Sein» da gelebt wird, und wie wenig das mit ihrer eigenen Vergangenheit und mit der politischen und religiösen Realität in Israel zu tun hat. Erstaunt ist sie, für wie viele Konvertiten das Jude Sein zu einer Art Fetisch verkommen ist. Ebenso skeptisch erlebt sie die Politik in Israel und Jerusalem, die zunehmende Macht der Ultraorthodoxen und das Verdrängt werden eines liberalen Judentums. Was ist ein Jude, was ist ein Jude in Deutschland, was heisst es, Jude, Jüdin zu sein? Steht Deutschland noch immer im Schuld-Reflex des Holocaust, und warum lebt der Antisemitismus wieder so stark auf? Diese Fragen treiben die Autorin um und lassen sie doch recht ratlos und nicht zuversichtlich zurück. Einen Schriftsteller lässt sie sagen: «In Deutschland ist man nur dann ein richtiger Jude, wenn man das grosse Böse immer thematisiert». «Deshalb beschäftigen sich all diese Juden aus dem Osten ständig mit dem Holocaust und dem Antisemitismus, weil es die einzige legitime Identität ist, die die deutsche Kultur ihnen bietet» (185). So bleiben für die Autorin viele Fragen offen, ihre Suche nach ihrer jüdischen Identität, ihre Auseinandersetzung mit ihrem kulturellen Erbe, ihr Wunsch, als freie Frau in einer humanen Welt zu leben, ihre Identität selbst in Freiheit, ohne fremde Zuschreibungen zu bestimmen werden sie weiter suchen lassen. «Die Fetischisierung der jüdischen Identität in Deutschland ist für mich nicht als Jüdin interessant, sondern als Mensch, der seit seinem Aufbruch in die Freiheit beobachten konnte, wie Identität in unserer Welt zunehmend fetischisiert wird…» (191). «Das Judentum, wie es einmal war, gibt es nicht mehr». «Das Verfolgtwerden ist auch eine Identität, aber eine, die nur so lange lebendig bleibt, als man die Verfolgung, oder zumindest die Geschichten darüber, am Leben erhalten kann» (221). Ein interessantes, aktuelles Buch, engagiert und nicht wertneutral geschrieben, es kreist um zentrale Themen wie Heimat, Vertrieben Sein, Schuldbewältigung, Opferstatus, Religion, Zukunft des Judentums und die Lage in Israel.