Feine, leise Töne. Mit Leichtigkeit und Humor erzählt Andrej Kurkow die Geschichte des einfachen Bienenzüchters Sergej im Jahr 2016 im Donbass, genauer in der grauen Zone, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten im bewaffneten Konflikt stehen. Ausser Sergej lebt nur noch Paschka - prorussisch, solange es ihm dient - im Dorf, alle anderen sind weggezogen. Von seiner Frau ist Sergej schon lange geschieden. Sie lebt mit der gemeinsamen Tochter weiter entfernt. Seit Jahren gibt es schon keinen Strom mehr - also auch kein TV oder Radio. Er ist abgeschnitten von Informationen und lebt am Rand des Krieges. Er ist kein Held, führt ein bescheidenes, einfaches Leben. Eines Tages fährt er mit seinen Bienen auf die Krim, um einen ehemaligen Bekannten zu besuchen und seine Bienen zu “sömmern”. Auf der Krim wird der Krieg anders spürbar, er hat dort direkten Kontakt mit Behörden, Militär und Polizei. Während der Zeit seiner Aufenthaltserlaubnis bleibt er auf der Krim und hat Kontakt mit der Frau seines zwischenzeitlich verschollenen Bekannten und deren Kinder. Da versucht er sich auch einzusetzen für die Frau, um herauszufinden, was mit ihrem Mann geschehen ist. Anschliessend fährt er wieder nach Hause. Sergej kümmert sich hingebungsvoll um seine Bienen - das Geschehen um ihn herum nimmt er zur Kenntnis, manchmal mit Erstaunen, beobachtet und macht sich seine Gedanken - einfache Gedanken und doch mit einer grossen Tiefe. Das hat oft etwas Philosophisches, ohne dass man direkt diese Etikette “schmecken” würde. Dass es sich auch um ein politisches Buch handelt, wird ganz unaufdringlich spürbar. Beispielsweise da, wo Sergej die Strassenschilder austauscht und das Schild “Leninstrasse” - da woht er selber - mit dem Schild “Schewtschenkostrasse”, wo Paschka wohnt. Dieses undramatische Erzählweise öffnet eine mir bisher unbekannte Möglichkeit, über Krieg und Macht nachzudenken und auch den fortwährenden Konflikt in der Ukraine zu reflektieren. E Ein wunderbares Buch - must read! "Worauf seine Tischnachbarin beim Abendessen bemerkte, er habe sein wahres Wesen vierundzwanzig Tage lang gekonnt verborgen. Genaueres hatte sie nicht erklärt, deshalb war Sergeijtsch ratlos über sein “wahres Wesen”, das er selbst gerne enträtselt hätte, nach Hause gefahren." "Die Bienen lebten ja auch ohne Strom! Also waren die Menschen ebenfalls dazu in der Lage! Menschen konnten den Bienen wohl das Wasser reichen. An dieser Stelle widersprach Sergeijtsch sich selbst. Nein, die Menschen können den Bienen nicht das Wasser reichen, beschloss er." “Er dachte darüber nach, dass die Menschen gerade von den Bienen lernen könnten, wie man Ordnung aufrechterhielt. Bloss hatten die Bienen dank ihrer Ordnung und Arbeit in ihren Bienenstöcken den Kommunismus aufgebaut. Die Ameisen hatten einen echten, natürlichen Sozialismus erreicht, weil sie nichts produzierten, sondern nur gelernt hatten, Ordnung und Gleichheit zu wahren. Und die Menschen?” “Wie können nur zwei so unterschiedliche Gemütsregungen in einem Gesicht Platz haben, wunderte sich Sergeijewitsch, als er sie ansah.”